13. November 2009

Maximilian Steinbeis

OLG Oldenburg pfeift auf Bundesverfassungsgericht

Manche Instanzrichter interessieren sich offenbar inzwischen einen feuchten Kehricht für die Ansagen des Bundesverfassungsgerichts. Selbst wenn es um einen so schwerwiegenden Vorwurf wie Richterwillkür geht: Sie zucken mit den Achseln und machen weiter wie zuvor.

Vor einem knappen Jahr hat die 2. Kammer des Ersten Senats in drei Verfahren (1, 2 und 3) dem OLG Oldenburg seine Praxis bei der Streitwertfestsetzung in Ehescheidungssachen um die Ohren gehauen: Es hatte den Streitwert jeweils auf 2000 Euro festgesetzt, vollkommen wurscht, was die Eheleute verdienten. Hintergrund: In allen drei Fällen hatte einer der Partner Prozesskostenhilfe beantragt. Das heißt, ein hoher Streitwert führt zu hohen Anwaltskosten und die belasten den Staat. Was natürlich ausweislich der OLG-Urteile überhaupt keine Rolle gespielt hatte bei der Rechtsfindung.

Das war für sich schon eine ziemliche Unverschämtheit. Denn offenbar hatte das BVerfG dem OLG Oldenburg schon 2007 in zwei Urteilen (die auf der BVerfG-Website leider unauffindbar sind, Az. 1 BvR 1678/07 und 3032/07) Vorgaben gemacht, welche Anforderungen das Grundgesetz an eine nachvollziehbar begründete Streitwertfestsetzung in solche Fällen richtet.

Doch dem OLG hat das alles überhaupt nicht imponiert. Jetzt musste die Karlsruher Kammer schon wieder eingreifen: Wieder hatte das OLG angeordnet, die Einkommensverhältnisse der Ehegatten bei der Streitwertfestsetzung zu ignorieren, zu Lasten der Anwälte und zu Gunsten der Staatskasse. Wieder zückt das BVerfG die scharfe Waffe Willkürverbot.

Was ist da los? Setzt das OLG auf Zermürbungstaktik? Dass die Anwälte es irgendwann müde werden, sich ihr Geld in Karlsruhe einzuklagen?

Wie kann es sein, dass hochrangige Richter in Deutschland einem Verfassungsorgan so unverhohlen den Mittelfinger zeigen? Wir hatten das OVG Münster und die Nazi-Demos. Wir hatten den BGH und die Schockwerbungs-Debatte. Aber diese Nummer ist in der verächtlichen Indifferenz, mit der das OLG die Verfassungsrichter Mal um Mal auflaufen lässt, ohne Vergleich.

Was sagt uns das andererseits über die Autorität des BVerfG innerhalb der Justiz? Ist das eine Folge der Karlsruher Neigung zu ausladenden, weit über das Maß des juristisch streng Gebotenene ausgreifenden Grundsatzphilosophiererei, wie Bernhard Schlink vor ein paar Jahren mal sorgenvoll meinte?

Wie kommt das OLG überhaupt dazu, sich für die Belange der Staatskasse verantwortlich zu fühlen? Was laufen da für Einflusskanäle zwischen Landesregierung und Justiz?

Eine Menge Fragen.

Schreibe einen Kommentar