Bundesjustizministerin Sabine LeutHSchnarrB hat, publizistisch unterstützt vom im Gegenzug sehr enthusiastischen Heribert Prantl und seiner SZ, einen wuchtigen Vorstoß für die Rechte prozessbeteiligter Bürger angekündigt: Wenn das Gericht nicht zu Potte kommt, soll man künftig auf Entschädigung klagen können.
Das ist zweifellos eine schöne Idee.
Die Situation von Menschen, die Recht haben, es aber nicht bekommen können, weil die Justiz sie am ausgestreckten Arm verhungern lässt, ist verzweifelt. Ihnen geschieht massives Unrecht, und schon deshalb ist es mehr als fair, sie wenigstens zu entschädigen. Wenn der Anspruch dazu beiträgt, das Unrecht gar nicht erst entstehen zu lassen, um so besser.
Da wir gerade von überlanger Verfahrensdauer sprechen…
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat 2006 im Fall Sürmeli festgestellt, dass es in Deutschland keine vernünftige Möglichkeit gibt, sich zu wehren, wenn man Recht hat, Recht sucht, aber Jahr um Jahr kein Recht bekommt. Insbesondere die Verfassungsbeschwerde sei dafür kein ausreichendes Instrument, weil das BVerfG gegen die Zustände in der Justiz im Grunde machtlos sei.
Auch schon wieder vier Jahre her.
2005 hatte Amtsvorgängerin Brigitte Zypries mit ähnlichem Aplomb versucht, dem Problem mit einer Untätigkeitsbeschwerde Herr zu werden. Ist nichts draus geworden.
Dass Zypries tätig wurde, hing wiederum mit einem EGMR-Urteil zusammen, dem (polnischen) Fall Kudla nämlich, in dem der EGMR feststellte, dass die Europäische Menschenrechtskonvention gegen überlange Verfahrensdauer einen wirksamen Rechtsbehelf fordert. Zypries kam zu dem Schluss, dass das auch Deutschland betrifft. Fand die Justiz zwar überhaupt nicht. Aber im Fall Sürmeli stellte sich heraus, dass Zypries Recht hatte.
Und wann war Kudla? Das war im Oktober 2000. Also bald zehn Jahre her.
Hinter der Justiz stecken die Länder
Die Justiz ist aber nicht nur die Justiz, sondern eine Institution des Staates, genauer: der Länder. Die müssten im Erfolgsfall die Rechnung zahlen, wenn eine solche Entschädigungsklage durchgeht.
Die Länder sind gewiss sehr dafür, dass den armen Justizgeschädigten Gerechtigkeit widerfährt. Andererseits ist ihnen aber auch daran gelegen, den Justizhaushalt schmäler zu kriegen. Weshalb sie beispielsweise gar nichts dabei finden, die Prozesskostenhilfe zu kürzen oder dergleichen.
Meine Vermutung: Die Länder werden ihrem Enthusiasmus über LeutHSchnarrB’s Idee nur sehr gedämpften Ausdruck verleihen.
Dem Deutschen Richterbund wird schon ein Argument einfallen, warum das leider alles überhaupt nichts bringt und warum das leider alles überhaupt nicht geht. Dieses Argument wird der Bundesrat dann mit großem Nachdruck vertreten. Und dann wird das monate- und jahrelang hin und hergehen, bis die Legislaturperiode rum ist.
Und dann wird irgendwann wieder der EGMR kommen und urteilen, dass das in Deutschland so überhaupt nicht weitergeht. Und dann werden wieder alle sehr erschrocken sein. Und so um das Jahr 2014, 2015 herum wird die dann amtierende Bundesjustizministerin wieder einen ganz wuchtigen Referentenentwurf vorlegen.
Und so weiter.
