10. April 2013

Maximilian Steinbeis

Irlands Verfassungsexperiment: Testfall Homo-Ehe

Islands Verfassungsexperiment hat ja, wie berichtet, vorläufig ein klägliches Ende gefunden. Aber es gibt noch einen weiteren Inselstaat im Nordatlantik, der mit I anfängt und mit -land endet, in dem die Finanzkrise das Oberste zuunterst gekehrt hat und der sich rühmt, verfassungspolitisch neue Wege beschreiten zu wollen: Auch in Irland wird derzeit mit der Einbeziehung der Bevölkerung in die Renovierung der Verfassung herumexperimentiert, auf wesentlich weniger ambitionierte Weise als in Island, aber immerhin.

In Irland tagt seit dem 1. Dezember 2012 ein Verfassungskonvent, der binnen zwölf Monaten Empfehlungen abgeben soll, ob die Verfassung an einigen ausgewählten Stellen geändert werden soll oder nicht. Es geht um allerhand wahlrechtliche Themen, aber auch etwa um die Frage, ob das Verfassungsgebot, „publication or utterance of blasphemous, seditious, or indecent matter“ unter Strafe zu stellen, abgeschafft werden soll.

Das Besondere an dem Verfahren ist, dass von den den 100 Mitgliedern nur ein Drittel Parlamentarier sein sollen. Zwei Drittel sind nach dem Zufallsprinzip aus dem Wählerregister ausgewählte Repräsentanten der Bevölkerung.

Irlands tief katholische Verfassung aus dem Jahr 1937 (im ersten Satz der Präambel wird gleich mal die „Most Holy Trinity“ angerufen, „from whom is all authority and to whom, as our final end, all actions both of men and states must be referred“) kann durch Beschluss beider Kammern des Parlaments und anschließendes Referendum geändert werden. Das ist bisher 27 Mal geschehen, etwa um das radikale Abtreibungsverbot abzumildern oder die Ehescheidung zu ermöglichen.

Vor einem Jahr habe ich die Vermutung geäußert, das Ganze werde kaum mehr werden als eine

sehr liebe, sehr adrette, wunderbare Alibi-Veranstaltung, wo ein Haufen rechtschaffener Bürgerinnen und Bürger übermäßig viel Zeit damit verplempern werden, wohlklingende Papiere zu verfassen, die keinen Menschen interessieren.

Ob das so kommt, wird sich am nächsten Wochenende herausstellen: Da steht der Punkt mit der mit Abstand größten öffentlichen Resonanz auf der Agenda des Konvents – die Legalisierung der Homo-Ehe. Die Frage scheint die Iren deutlich mehr zu interessieren als die Absenkung des Wahlalters, die Verkürzung der Amtszeit des Präsidenten und andere verfassungspolitische Technizitäten. Die allermeisten der rund 1300 Eingaben aus der Bevölkerung, die den Konvent bisher erreicht haben, betreffen diesen Punkt.

Eoin Carolan von der Universität Dublin hat auf dem I-CONect-Blog beschrieben, was alles davon abhängt, wie die Diskussion (hier live gestreamt) am Wochenende verläuft:

Will this very public process of deliberation encourage political and popular ‘buy-in’ to whatever outcome emerges? Will the discussions change attitudes or simply harden them? And will the outcome – if it does match opinion polls – provide political cover for the more conservative members of Ireland’s coalition government to agree to bring a referendum forward without having to present or support it as their own proposal? Whatever happens this weekend is likely – given the level of public attention – to have significant ramifications not only for same-sex marriage in Ireland but also for the status, reputation and future of the Convention itself.

Also sind wir mal gespannt.

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