22. Februar 2014

Maximilian Steinbeis

Schweizer Bundesgericht: „Sauausländer“ ist nicht diskriminierend

Wenn ein Polizist einen des Taschendiebstahls verdächtigen Algerier bei seiner Festname lauthals als „Drecksasylant“ und „Sauausländer“ beschimpft, dann ist das vielleicht böse, gemein und beleidigend, aber eins ist es nicht: eine Diskriminierung. Zu diesem, um es mal vorsichtig zu formulieren, kontraintuitiven Schluss kommt das Schweizerische Bundesgericht in einem gestern veröffentlichten Urteil, das dem jüngst so markant in die Welt gesetzten Bild der Schweiz als eines Landes, in dem man sich ohne lupenreine eidgenössische Abstammungscredentials nicht allzu wohl fühlen soll, noch eine weitere Facette hinzufügen dürfte.

Das Schweizer Strafgesetzbuch droht jedem, der andere „wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert“, bis zu drei Jahren Gefängnis an.

Das Bundesgericht unterzieht nun die Worte „Sauausländer“ und „Drecksasylant“ einer linguistischen Analyse, ob sie den solchermaßen Angesprochenen gerade deshalb herabsetzen, weil er einer bestimmten Rasse, Ethnie oder Religion angehört. Und siehe da: Das tun sie nicht. Unter den Personen, die mit „Ausländer“ und „Asylant“ angesprochen sind, seien alle möglichen Rassen, Ethnien und Religionen zu finden. Gerade auch „Ausländer“ meine alle, die keine Schweizer sind – und unter den Schweizern seien doch ebenfalls alle möglichen Rassen, Ethnien und Religionen vertreten.

Aber sind dann diese Begriffe nicht als „Sammelbegriffe beziehungsweise Synonyme für außereuropäische Rassen und Ethnien“ zu verstehen, zumal der so beschimpfte Mann als Nordafrikaner „ersichtlich außereuropäischer Herkunft“ war? Keineswegs: Die Worte des Polizisten so zu verstehen, so das Bundesgericht, wäre mit dem Legalitätsprinzip und mit in dubio pro reo nicht vereinbar.

Zwar mag der eine oder andere Zeuge des Geschehens den Eindruck gewonnen haben, dass der Beschwerdeführer den Betroffenen gerade deshalb als „Sauausländer“ und „Dreckasylant“ beschimpfte, weil dieser dem Anschein nach ein Nordafrikaner ist und damit einer Rasse oder Ethnie angehört, die hierzulande von einem zumindest latenten Rassismus bedroht sein mag.

Eine solche Interpretation

drängt sich jedoch mangels weiterer dafür sprechender Umstände nicht auf.

Vielmehr könne ein „unbefangener Dritter“ die Äußerungen des Polizisten genauso gut so deuten, dass ihr Grund eben darin liegt, dass

der Betroffene Ausländer und Asylbewerber ist.

Oh. Na, dann…

Der rechtliche Status als Ausländer oder Asylbewerber sei aber von der Strafnorm nicht vor Diskriminierung geschützt. Insoweit, darauf weist das Bundesgericht ausdrücklich hin, unterscheide sich die Rechtslage in der Scheiz von der in Deutschland (§ 130 I Nr. 2 StGB).

Selbst wenn man das anders sieht, so das Bundesgericht weiter, müsste man einen Bezug zur Menschenwürde herstellen, wenn man den Polizisten bestrafen wolle. Die Beschimpfung müsste zumindest ausdrücken, dass der Beschimpfte „als Mensch zweiter Klasse“ betrachtet werde.

Wer nun meint, die Qualifizierung von Ausländern als „Säue“ und von Asylbewerbern als „Dreck“ solle genau das zum Ausdruck bringen, irrt indessen in den Augen des Bundesgerichts ganz gewaltig:

Begriffe wie „Sau“, „Dreck“ und ähnliche werden im deutschen Sprachraum seit jeher häufig und verbreitet im Rahmen von Unmutsäusserungen und Missfallenskundgebungen verwendet, um einen anderen zu beleidigen, etwa wegen des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder wegen körperlicher oder geistiger Auffälligkeiten.

Auch in Verbindung mit „Ausländer“ und „Asylant“ werde daraus nichts, worum man sich unter Menschenwürdegesichtspunkten Sorgen zu machen brauchte:

Solche Äusserungen werden, jedenfalls soweit sie gegen konkrete einzelne Personen gerichtet sind, vom unbefangenen durchschnittlichen Dritten als mehr oder weniger primitive fremdenfeindlich motivierte Ehrverletzungen, aber nicht als rassistische Angriffe auf die Menschenwürde aufgefasst.

Wenn das so ist in der Schweiz, dann weiß ich nicht so recht, ob mich das wirklich beruhigt…

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