7. August 2015

Christoph Möllers

Richter und Staatsanwälte – besser in zwei Vereinen

Der „Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof“ hat in einer Presseerklärung die Entlassung des Generalbundesanwalts durch den Bundesjustizminister scharf kritisiert und verlautbart, es gäbe „Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Behinderung der Ermittlungen des Generalbundesanwalts.“ Dies ist ein in mehrerer Hinsicht bemerkenswerter Vorgang. Bemerkenswert ist zunächst der Verein selbst, der Richter und Staatsanwälte, also Kontrolleure und Kontrollierte, in einer gemeinsamen Struktur verbindet. Besser könnte man ein Standesbewußtsein nicht zum Ausdruck bringen, in dem die Unabhängigkeit gerichtlicher Kontrolle vielleicht weniger von höchst seltenen politischen Interventionen als von der Distanzlosigkeit zweier Gewalten bedroht erscheint, die das Grundgesetz trennen wollte – und von der eben nur eine, die Gerichtsbarkeit, von politischer Kontrolle unabhängig sein muss. Trotzdem spielt man anscheinend im „selben Verein“. Dass das Verhältnis zwischen Richtern und Staatsanwälten zu häufig mehr von kollegialer Routine als von rechtsstaatlicher Distanz geprägt wird, ist denn auch keine neue Erkenntnis. Viele Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zur Einhaltung verfassungsrechtlich umhegter strafprozessualer Verfahrensvorschriften bezeugen dies ebenso wie die kriminologische Forschung.

Bemerkenswert ist die Äußerung zum zweiten, weil sie im Ton einer Vorermittlung bereits mit den Waffen droht, über die Staatsanwälte und Richter allein gemeinsam verfügen, eben mit Strafverfolgung, um diese gegen den Bundesjustizminister zu wenden. Natürlich ist Kritik an einem Minister erlaubt, aber wenn ein Verein von Staatsanwälten und Richtern Strafverfolgung androht oder andere Strafverfolgungsbehörden dazu einlädt, ist dies eine Entgleisung. Man stelle sich vor, der Bund der Kriminalbeamten würde einer Person mit polizeilichen Maßnahmen drohen.

Wie genau es für einen Minister möglich sein soll, im Rahmen der gesetzlich ausdrücklich geregelten Fachaufsicht gegenüber einer Anklagebehörde eine Strafvereitelung zu begehen, wenn es doch in dieser Aufsicht um nichts anderes als um Strafverfahren gehen kann, bleibt die Frage. Denn wenn der GBA durch die Anbindung an die Aufsicht des BMJ seine verfassungsrechtlich erforderliche demokratische Legitimation erst erhält, dann muss es auch möglich sein, eine solche Weisung zu erteilen. Natürlich ist Mißbrauch denkbar und gehört verfolgt. Aber der Sinn des Weisungsrechts besteht gerade bei Staatsschutzdelikten darin, dass schon der Beginn des Verfahrens politischen oder in diesem Fall sogar grundrechtlichen Schaden anrichten kann, der größer ist als der Rechtsgüterschutz durch die Strafverfolgung selbst. Nicht zufällig ist das Opportunitätsprinzip für Staatsschutzdelikte ausdrücklich vorgesehen, auch für Landesverrat (§ 153 d Abs. 1 StPO i.V.m. § 120 Abs. 1 Nr. 3 GVG). Im vorliegenden Fall, in dem die Gefahr einer Einschüchterung der freien Presse auf der Hand lag, erscheint dies besonders plausibel. Hier dürfte schon der Beginn des Ermittlungsverfahrens einen Grundrechtseingriff ausgelöst haben. Daher bedarf gerade die Verfolgung politischer Delikte politischer Verantwortlichkeit. Der politischen Dimension wird man gerecht, wenn man die verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtet.

Rechtspolitisch steht hinter dieser Auseinandersetzung der Traum von einer Justiz, die sich ohne Intervention demokratischer Politik selbst kontrolliert und ergänzt. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes hat denn auch gleich die verbandspolitische Gelegenheit genutzt und darauf verwiesen, dass das ministerielle Weisungsrecht an Staatsanwaltschaften heute einen Hinderungsgrund für eine Aufnahme Deutschlands in die EU darstellen würde – ein irreführender Hinweis. Was immer auch die Europäische Kommission von Beitrittsländern verlangt, die manifeste Probleme mit ihren rechtsstaatlichen Strukturen haben, für die Bundesrepublik gilt es nicht. Das Weisungsrecht verstößt nicht gegen Unionsrecht. Die Vorliebe der EU und anderer internationaler Organisationen für unabhängige Verwaltungsagenden ist ohnehin demokratietheoretisch und verfassungsrechtlich hoch anfechtbar. Schließlich sind die Erfahrungen mit unabhängigen Ermittlungsorganen und sich selbst ergänzenden Justizapparaten in Frankreich, Rumänien, Spanien oder der Slowakei sehr negativ. Weder wünschen wir uns für das – im Ganzen dank aller Beteiligter vorzüglich funktionierende – deutsche System entfesselte Ermittlungsrichter noch einen unkontrollierten, sich selbst ergänzenden Justizkorporatismus. Im demokratischen Rechtsstaat kann jede der drei Gewalten die Freiheit bedrohen. Darum muss jede Gewalt zum Teil in der Hand einer anderen liegen.

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