Neben den anderen großen Entscheidungen dieser Woche nimmt sich diese aus Straßburg eher niedlich aus, aber sie scheint mir trotzdem eine kleine Notiz wert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat heute die Klage einer Somalierin mit Schweizer Staatsangehörigkeit namens Muna Macalin Moxamed Sed Dahir für unzulässig erklärt, die vergebens versucht hatte, ihren amtlichen Nachnamen abändern zu lassen. Das Problem an ihrem Namen war, dass „Moxamed“, mit deutschem X ausgesprochen, auf Somali offenbar „verfaulte Haut“ oder „Toilette“ bedeutet. So wollte sich die Frau verständlicherweise nicht ansprechen lassen. Die Schweizer Berhörden und Justiz zeigte ihr indessen die kalte Schulter: Daran nehme in der Schweiz niemand Anstoß als sie selbst, und das sei nicht genug, um eine Namensänderung zu begründen.
Reicht das aus, um eine Verletzung des Rechts auf Privatleben (Art. 8 EMRK) anzunehmen? Das tut es nicht, so der EMRK.
Das Recht, dass der Staat mit meinem Namen keinen Unfug anstellt, fällt zwar in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK. Aber ihn zu verpflichten, bestimmte Namensänderungen vorzunehmen, hat die Kammer offenkundig überhaupt keine Lust. Hier sei mangels konvergenter Praxis in Europa der Ermessensspielraum weit. Das gelte auch für die Übertragung von Namen ausländischen Ursprungs. Übel nimmt die Kammer der Klägerin, dass sie anstrebt, dass beide Schreibweisen korrekt bleiben, mit und ohne X. Dies laufe dem Prinzip der Einheit des Familiennamens zuwider. Ihr Schicksal, als „Frau Toilette“ angesprochen zu werden, rührt die Kammer nicht: Das Problem entstehe nur dann, wenn jemand den Namen nach westlichen Ausspracheregeln ausspricht und Leute, die Somali verstehen, das hören.
Das scheint mir allerdings jedes einzelne Mal der Fall zu sein, wenn der Name falsch ausgesprochen wird, nämlich in Gestalt von Frau Moxamed selbst.
Auch eine Diskriminierung kann die Kammer nicht erkennen. Zwar sei anderen, etwa Polen, eine Namensänderung erlaubt, wenn ihr Name für Schweizer sehr schwer auszusprechen ist. Aber das sei nicht vergleichbar. Wenn jemand mit seinem Namen in der Sprache, die in der Schweiz gesprochen wird, Schwierigkeiten hat, dann sei er in einer anderen Situation als jemand, dessen Name falsch ausgesprochen nur auf Somali komisch klingt.
Ohne dem Fall zu viel Gewicht beimessen zu wollen, scheint mir darin doch eine gewisse Insensibilität für die Situation von Migranten spürbar zu werden. Der Name gehört zu den Dingen, die man aus seinem Herkunftsland mitbringt, die am meisten die eigene Identität prägen. Es mag schon sein, dass die normalen Schweizer überhaupt kein Problem mit Moxamed mit X haben. Aber ist das der Maßstab, auf den es hier allein ankommt? Wenn mein Name in meiner Sprache jedesmal, wenn er am Schweizer Bankschalter oder im Schweizer Arztwartezimmer ausgesprochen wird, eine für mich demütigende Bedeutung annimmt, warum gerät das als Problem überhaupt nicht in das Blickfeld der Behörden und Gerichte? Das scheint mir doch darauf hinzuweisen, dass in deren Augen „normale“ Schweizer deutsch reden (oder französisch, italienisch und rätoromanisch natürlich), die Amtssprachen halt, und Somali-Schweizer gefälligst zu schauen haben, wie sie zurechtkommen.