16. Februar 2017

Mark Tushnet

Wie Trump gestürzt werden könnte

Präsident Trump ist nicht einmal einen Monat (!) im Amt, und schon liegen Amtsenthebungsgerüchte in der Luft. Ich bin da eher skeptisch: Da wird nichts passieren, solange nicht genügend Republikaner von Gewicht beschließen, dass es an der Zeit ist, Trump über Bord zu werfen. Die Republikaner profitieren von ihm in Form einiger bescheidener Dinge, die sie an seinen Exekutivanordnungen schätzen (bei allen handfesten Problemen, die ihnen die Anordnung zur Immigration einhandelt), hoffen ihm noch das eine oder andere Gesetz zur Unterzeichnung vorlegen zu können, und haben ansonsten jede Menge Ärger von ihm zu erwarten. Von Mike Pence als Präsidenten bekämen sie die ersten beiden Dinge ebenfalls, nicht aber das dritte. Wenn man glauben kann, was man hört, dann fürchten die Republikaner hauptsächlich, dass Trumps Kernanhängerschaft zurückschlagen wird, wenn sie als diejenigen dastehen, die Trump gestürzt haben.

Es gibt aber noch einen anderen Weg: den 25. Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung.

Wenn der Vizepräsident und eine Mehrheit im Kabinett erklären, dass der Präsident „untauglich ist, die Befugnisse und Pflichten seines Amtes zu versehen“, und diese Erklärung an den Kongress senden, dann wird der Vizepräsident unmittelbar zum amtierenden Präsidenten. Der „echte“ Präsident kann dann aber seinerseits vor dem Kongress erklären, dass er sehr wohl tauglich ist, sein Amt zu versehen, und wird dann wieder Präsident – es sei denn, Vizepräsident und Kabinettsmehrheit bekräftigen binnen vier Tagen, dass er es eben nicht ist. Dann hat der Kongress (sofern Sitzungsperiode ist) zwei Tage Zeit, die Untauglichkeit zur Amtsausübung mit Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern festzustellen. Wenn die Abstimmung gegen den Präsidenten ausgeht, wird der Vizepräsident zum amtierenden Präsidenten – offenbar bis zum Ende der regulären Amtszeit, während der Pence dann den Titel „Amtierender Präsident“ trüge, nicht „Präsident“.

Die Republikaner im Kongress würden aus diesem Verfahren auch nicht völlig unbefleckt hervorgehen. So, wie die Dinge liegen, müssten mindestens 19 republikanische Senatoren für Trumps Untauglichkeit stimmen (sofern sich Trump nicht nach der ersten an den Kongress gerichteten Erklärung ohne einen Pieps davonmacht). (Die Demokraten wären aus offensichtlichen Gründen gut beraten, auf die unter dem früheren Sprecher des Abgeordnetenhauses John Boehner etablierten Gepflogenheiten zu bestehen, wonach eine Mehrheit innerhalb der republikanischen Mehrheit nicht unbedingt Voraussetzung ist, die Sache zur Abstimmung zu bringen.) Eine Erklärung des Vizepräsidenten und der Kabinettsmehrheit würde den Republikanern im Kongress eine gewisse Deckung bieten. Sie könnten sagen: Seht mal, sogar seine eigenen Leute – die er selber gewählt hat, und im Fall von Pence sogar ihr selber – finden, dass es Zeit für ihn ist, zu gehen, also könnt ihr uns das nicht allzu übel nehmen.

Die Rechtsfrage dabei ist: Was heißt „untauglich, die Befugnisse und Pflichten des Amtes zu versehen“? Die klare Absicht der Verfasser des Zusatzartikels war, für den Fall physischer oder geistiger Behinderung an der Amtsausübung vorzusorgen – etwa im Fall von Präsident Garfield in den elf Wochen zwischen dem Attentat auf ihn und seinem Tod, oder im Fall von Präsident Wilson nach seinem Schlaganfall. Aber auch wenn man als Originalist glaubt, dass der Verfassungstext stets in dem Sinn auszulegen ist, der ihm zum Zeitpunkt seiner Entstehung innewohnt, heißt das noch nicht unbedingt, dass Anwendungsfälle nur solche sein können, mit denen die Verfasser gerechnet haben. Der Verfassungstext ist vereinbar mit einer Auslegung, wonach „untauglich“ auch im Sinne von „durch nachhaltiges und schwerwiegendes Versagen des Temperaments nachgewiesenermaßen untauglich“ (oder etwas in der Art) zu verstehen ist. Anders gesagt: bei Auslegen des Begriffs „untauglich“ kommt man die Nähe von Gerald Fords Diktum – Schwerverbrechen seien, „was immer eine Mehrheit im Parlament dafür hält“: Wenn man vertretbarerweise und nach einem vernünftigen Verständnis des Begriffes sagen kann, dass der Präsident „untauglich“ zur Amtsführung etc. ist, dann ist der 25. Zusatzartikel erfüllt.

[Noch ein Gedanke, auf die Gefahr hin, Kopfschütteln auszulösen: So wie ich den 25. Zusatzartikel lese, entsteht in dem beschriebenen Verfahren eine Vakanz in der Position des Vizepräsidenten. Diese Lesart ist vielleicht nicht zwingend, denn Pence könnte auch gleichzeitig Amtierender Präsident und Vizepräsident sein, aber das würde Schwierigkeiten verursachen, da der Vizepräsident ja gleichzeitig als Vorsitzender des Senates fungiert. Wenn also tatsächlich eine Vakanz entstünde, dann könnte der Amtierende Präsident Pence einen neuen Vizepräsidenten ernennen, der sein Amt anträte, wenn er von beiden Häusern des Kongresses bestätigt wird. Ich denke, Pence sollte als Amtierender Präsident – „sollte“ im Sinn von guter Regierung – einen gemäßigten Demokraten als Vizepräsident wählen. Obendrein denke ich, dass die Kabinettsmitglieder, die die Erklärung an den Kongress mitgezeichnet haben, ihre Positionen räumen sollten (was denjenigen unter ihnen, die viel Geld investiert haben, missfallen wird), und dass der Amtierende Präsident Pence ein Kabinett der nationalen Einheit berufen sollte, mit einer substanziellen Anzahl von Demokraten darin. Eine noch extremere Variante wäre, was jemand – ich weiß nicht mehr, wer – vorgeschlagen hat, nämlich dass der Amtierende Präsident Pence als Vizepräsidentin Hilary Clinton wählt und dann, nach ihrer Bestätigung, als Amtierender Präsident zurücktritt und sogar als Vizepräsident…]

Dieser Artikel ist eine um an den deutschen Verständnishorizont leicht angepasste Übersetzung eines zuvor in englischer Sprache auf Balkinization erschienenen Artikels. Übersetzung von Maximilian Steinbeis. P.S.: Der Verfasser weist für alle Fälle darauf hin, dass der in eckigen Klammern stehende letzte Absatz natürlich nicht komplett ernst gemeint ist…

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