Articles for author: Alexandra Kemmerer

Reflexive Disziplinarität und (Kartell-)Recht im Kontext

Er habe sich doch gefragt, wie dieses Thema zu Recht im Kontext passe. Nachdem wir gestern abend in größerer Runde mit zwei scharfsinnigen amerikanischen Richtern zu Tisch gesessen und lange über anwaltliches Standesrecht, Guantánamo vor zivilen Gerichten und die segensreiche Tradition der pro bono-Tätigkeiten amerikanischer Kanzleien diskutiert hatten, gestand mir ein renommierter Europarechtler sein Erstaunen über die Themen- und Referentenwahl des jüngsten Berliner Seminars Recht im Kontext im Wissenschaftskolleg (das er leider wegen kollidierender Seminarpflichten hatte verpassen müssen). Am Montag hatte der Rechtsanwalt, Kartellrechtsexperte und Blogger Johannes Zöttl im Berliner Seminar über „Missbrauch von Marktmacht oder Missbrauch des Kartellrechts?“ referiert, ... continue reading

Geisterjagd auf das Gespenst des bösen Carl: Eine Anmerkung zu Max Steinbeis‘ Turiner Beobachtungen

  Neulich fielen mir zwei Sätze in die Hand, die ich vor ein paar Jahren geschrieben habe. Etwas kryptisch, dachte ich. Aber richtig. Das dachte ich jetzt wieder, als ich Max‘ Eindrücke von Gunther Teubners und Anna Beckers‘ Turiner Konferenz über „Societal Constitutionalism“ las (einen ausführlichen Konferenzbericht gibt’s in der F.A.Z. vom 23. Mai 2012). Christian Joerges beschwor da angesichts der europäischen Krise offenbar nicht nur rhetorisch den bösen Geist von Carl Schmitt herauf – das Auditorium hörte es auch gleich gewaltig poltern, und unversehens wähnten die versammelten Luhmannianer das Gespenst  des Plettenberger Staatsrechtslehrers unter den Tagungsgästen, „als mitten in ... continue reading

Careers and Continuities: The German Federal Ministry of Justice and its Pasts

„Alas, what is it that is to be investigated and researched here?” That question was present in all presentations and discussions of a long conference day at the Berliner Kammergericht on 26 April 2012, marking the establishment of the  „Unabhängige Wissenschaftliche Kommission beim Bundesministerium der Justiz zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit“ („Independent Scientific Commission at the Federal Ministry of Justice for the Investigation of the National-Socialist Past“). Is it not well known how quickly, in the early years of the Federal Republic,  the old elites found their way back into their previous leading positions? Are we not more than familiar with the facts stressed ... continue reading

Staatenbeschwerde statt Sportboykott: Deutschland sollte die Ukraine in Straßburg verklagen

„Abwegig“ findet der frühere Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier die Forderungen deutscher Politiker nach einem Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine. In der Sprache der Juristen ist das eine klare Ansage: Finger weg von solchem Blödsinn. Nicht nur, weil niemand im EM-Stadion Norbert Röttgen vermissen würde und ein Boykott ohnehin vor allem die Falschen trifft. Papier legt eine interessante Alternative auf den Tisch, die vor ein paar Tagen schon von Philipp Mißfelder ins Spiel gebracht wurde.  „Deutschland könnte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Ukraine verklagen“, empfiehlt Papier in der Welt am Sonntag, räumt aber ein: „Dieser Weg wird wahrscheinlich deshalb ... continue reading

TWAIL 3.0: Indien, die Juristerei als Wissenschaft und das internationale Recht

Leider verschoben werden musste neulich der Berlinbesuch des Völkerrechtlers Antony Anghie, der nun voraussichtlich im Herbst 2012 bei Rechtskulturen über die von ihm vertretenen „Third World Approaches to International Law“ (TWAIL) sprechen wird. Diskutiert haben wir darüber trotzdem jetzt schon mal. In einem spannenden kleinen Roundtable Seminar mit Anne Orford, die auch die Rechtskulturen Lecture in diesem Semester hielt, stellte sich anläßlich einer Präsentation der Berliner Juristin und Islamwissenschaftlerin Nahed Samour die Frage, ob gegenwärtig womöglich in verschiedenen  Rechtskulturen der (vermeintlichen) „Peripherien“ die Herausbildung einer „Dritten Generation“ von Völkerrechtlern und Völkerrechtlerinnen bzw. mit Begriffen des Rechts argumentierenden politischen Aktivisten beobachtet ... continue reading

Karrieren und Kontinuitäten: Das Bundesministerium der Justiz und seine Vergangenheiten

„Was soll hier eigentlich erforscht werden?” Wie ein roter Faden zog sich diese Frage durch Vorträge und Diskussionen des langen Konferenztages im Berliner Kammergericht, mit dem die „Unabhängige Wissenschaftliche Kommission beim Bundesministerium der Justiz zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit“ am 26. April 2012 ihre Arbeit aufnahm. Ist nicht längst bekannt, wie schnell gerade in der Justiz der frühen Bundesrepublik die alten Funktionseliten wieder in ihre Führungspositionen zurückkehrten? Wissen wir nicht längst, was der Freiburger Historiker Ulrich Herbert in Berlin noch einmal betonte: Dass das deutsche Justizsystem in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Krieg in überdurchschnittlichem Maße von früheren Parteigängern des ... continue reading

Anne Orford in Berlin, rethinking R2P: Concluding the Reformation? On peace, protection and political theology

Australian international lawyer Anne Orford will deliver this semester’s Rechtskulturen Lecture on wednesday, 25 april, at Humboldt University Law School, titled „Concluding the Reformation? On peace, protection and political theology„. Anne Orford is the Michael D Kirby Professor of International Law at Melbourne Law School. In her recent work, including her much discussed book International Authority and the Responsibility to Protect (Cambridge University Press, 2011), she situates the „responsibility to protect“ concept in a broad historical and jurisprudential context, demonstrating that the appeal to protection as the basis for de facto authority has emerged at times of civil war or ... continue reading

On the Margin: Observations on Reception, Ratio and Reform of the Strasbourg Court

Strasburg prompts Discussion. Last friday, the European Court of Human Rights stated in Stübing v. Germany (Application no. 43547/08) that the sanctioning of sexual intercourse between consanguine siblings in German criminal law does not violate the Convention. Possible changes are now in the hands of the domestic legislator – while the applicant of course can still request that the case may be referred to the Grand Chamber for a rehearing. Due to the tragic circumstances of the concrete case, comments on the decision are often passionate. Emotion creates attention. The ECtHR has finally made its way into the broader German ... continue reading