Articles for author: Andreas Gutmann

Transnational-wehrhafte Demokratie

Am 13.11.2024 hat eine Gruppe aus 113 Abgeordneten des Deutschen Bundestags einen Antrag auf die Initiierung eines Parteiverbotsverfahrens gegenüber der „Alternative für Deutschland“ eingebracht. Die bisherige Debatte konzentriert sich schwerpunktmäßig auf die Voraussetzungen und Erfolgsaussichten eines (Teil-)Verbots der Partei aus grundgesetzlicher Perspektive. Dabei droht die nationale Brille den Blick auf die transnationalen Interlegalitäten zu verzerren und dem Stand der europäischen Integration nicht gerecht zu werden.

Fruchtbare Irritationen

Im August 2024 hat das LG Erfurt als erstes deutsches Gericht Rechte der Natur anerkannt. Diese können demnach in den Dieselfällen eine „schutzverstärkende“ Wirkung zugunsten der geschädigten Fahrer*innen entfalten. Das Urteil hat – auch über Deutschland hinaus – für Aufsehen und Kritik gesorgt. Am 17. Oktober hat das Gericht nun ein zweites ähnliches Urteil verkündet, das die Gelegenheit bietet, nochmals einen Blick auf die Besonderheiten der Erfurter Konstellation zu werfen. Diese Besonderheiten irritieren nicht nur die deutsche Rechtswissenschaft, sondern auch die Diskussionen über Rechte der Natur in produktiver Weise.

Von Flüssen und Dieselabgasen

Rechte der Natur sind eine derzeit viel diskutierte Reaktion auf die multiplen Umweltkrisen. Immer häufiger finden solche Rechte, seien es Rechte von Flüssen, Wäldern oder einzelnen Tieren, Eingang in konkrete Gerichtsverfahren. In den letzten Wochen fanden tausende Kilometer voneinander entfernt zwei derartige mündliche Verhandlungen statt. In Ecuador – dem bislang einzigen Land, das der Natur in seiner Verfassung eigene Rechte zuspricht – reichten Aktivist*innen öffentlichkeitswirksam eine Klage im Namen des unter Verschmutzung leidenden Machángara Fluss in Quito ein. In Deutschland verhandelte das Landgericht Erfurt, ob aus der EU-Grundrechtecharta abzuleitende Rechte der Natur in den Dieselabgasfällen eine Rolle spielen könnten.

Wir können alles. Außer Versammlungsfreiheit.

Die Versammlungsfreiheit gerät unter Druck. Immer öfter versuchen staatliche Behörden in verblüffender Verkennung verfassungsrechtlicher Prinzipien dieses Grundrecht zu entkernen. Der neueste Akt dieser Entwicklung stammt aus Baden-Württemberg. Per Allgemeinverfügung vom 7.7.2023 verbietet die Stadt Stuttgart bis zum Ende des Jahres Blockadeaktionen der Klimabewegung, bei denen sich Aktivist*innen auf die Straße kleben oder anderweitig mit der Straße oder anderen Personen verbinden. Was zunächst als lokale Randnotiz erscheinen mag, erweist sich beim näheren Blick als Lehrstück eines sowohl zweck-, als auch rechtswidrigen Umgangs des Staates mit Klimaprotesten.

Von Brokdorf nach Neukölln

Die Räume für zivilgesellschaftlichen Protest scheinen sich zunehmend zu verengen. Vor diesem Hintergrund besorgniserregend ist auch das Verbot zweier pro-palästinensischer Versammlungen in Berlin. Die Verbote beruhen nicht nur auf einer Gefahrenprognose, welche die hohen Anforderungen, die Art. 8 GG an ein präventives Versammlungsverbot stellt, grundsätzlich verkennt. Vielmehr stützen die Bescheide diese Gefahrenprognose auch maßgeblich auf rassistische Zuschreibungen.