„Das ist gespenstisches Verfassungsrecht“
Fünf Fragen an Florian Meinel
Fünf Fragen an Florian Meinel
Five Questions to Florian Meinel
Nichts bestimmt die begonnenen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD stärker als die Schuldenbremse. Sie und nicht, wie im Wahlkampf fast allgemein behauptet wurde, die Migration, ist die Mutter aller Probleme. Tritt die noch bis zur Konstituierung des 21. Bundestages bestehende verfassungsändernde Mehrheit dem Vorschlag näher, militärische Verteidigung und Infrastrukturmodernisierung in zwei gewaltigen Sondervermögen – die Rede ist von jeweils 400 Mrd. Euro – zu institutionalisieren, gleichzeitig aber die Schuldenbremse formal nicht anzutasten, so bedeutet das nichts weniger als die Spaltung ihrer Finanzverfassung; tendenziell die Spaltung ihrer ökonomischen Verfassung überhaupt.
The Political Landscape before the Bundestag Elections
Wer sich von rechtszerstörenden Fiktionen heute ein Bild machen will, lese das kürzlich veröffentlichte und inzwischen rechtskräftige Urteil der 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 7. Oktober 2024. Es ist eine der ersten bekannt gewordenen gerichtlichen Entscheidungen, die zu der im Juni 2024 in Kraft getretenen Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ergangen sind.
Es liegt auf der Hand, dass und warum die Verletzung von Verfahrensvorschriften die Ergebnisse von politischen Verfahren in Mitleidenschaft ziehen und Organrechte der Beteiligten verletzen kann. Warum allerdings umgekehrt auch deren akkurate Beachtung einen Verfassungsverstoß darstellen kann, ist nicht unmittelbar einsichtig. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juli zum letzten großen Gesetzgebungsverfahren vor der Sommerpause hat deswegen prinzipielle Bedeutung.
Der Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Astrid Wallrabenstein wegen Besorgnis der Befangenheit vom PSPP-Verfahren auszuschließen, wirft Fragen auf – an die Maßstäbe, die die Senatsmitglieder auch an sich selbst anlegen, an die Transparenz der Mehrheitsverhältnisse im Senat, an die Interpretation der Äußerungen der neuen Kollegin durch die Senatsmehrheit und an deren Verständnis der Bindungswirkung ihrer Urteile und Urteilsgründe.
Kommt es nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen zu einer Minderheitsregierung? Deren Befürworter erhoffen sich davon eine Renaissance des Parlamentarismus. Solche Vorstellungen sind aber, bei allem Respekt, romantischer Unfug und beruhen auf grundsätzlichen Fehlvorstellungen über das Regierungssystem im Allgemeinen und die heutige Verfassungslage im Besonderen.