Articles for author: Fabian Michl

Zwischen Prinzipientreue und Pragmatismus

Mit seinem Urteil zur Wahlrechtsreform der Ampelkoalition vom 30. Juli 2024 hat das Bundesverfassungsgericht den Kern der Reform – die Zweitstimmendeckung – bestätigt, aber die Sperrklausel partiell beanstandet. Der Beitrag gibt einen ersten Überblick über die wesentlichen Erwägungen des Gerichts und ordnet sie kritisch in den wahlrechtlichen und politischen Kontext ein.

Changing Tides in European Election Law

On 15 June, the Bundestag approved a minimum percentage threshold for elections to the European Parliament (EP). Shortly before the summer break, the Bundesrat (Federal Council) also agreed to the clause. German lawmakers already failed twice in this endeavour before the Federal Constitutional Court (Bundesverfassungsgericht, short BVerfG). This time, the German legislator can refer to a binding EU legal act backing its reform efforts. This means the electoral threshold must now be treated (also by the constitutional court) as determined by EU law – with all consequences. However, even a 2% hurdle is not 100% safe from the BVerfG.

Vorzeichenwechsel im Europawahlrecht

Der Bundestag hat am 15. Juni einer Sperrklausel für die Wahlen zum Europäischen Parlament zugestimmt. Kurz vor der Sommerpause schloss sich auch der Bundesrat an. Der deutsche Gesetzgeber unternimmt auf ein Neues, womit er schon zweimal vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist. Dieses Mal hat der deutsche Gesetzgeber bei der Einführung der Sperrklausel einen verbindlichen EU-Rechtsakt im Rücken. Damit geht allerdings einher, dass die Sperrklausel nun (auch verfassungsgerichtlich) mit allen Konsequenzen als determiniertes Unionsrecht behandelt werden muss. Doch auch eine 2 %-Hürde ist nicht zu 100% sicher vor dem BVerfG.

Abschied von der Personenwahl

Der heute in den Fraktionen beratene Entwurf für ein Wahlgesetz schlägt ein neues Kapitel in der Geschichte des personalisierten Verhältniswahlrechts auf, die am 16. Februar 1946 in London begann (dazu Knowles). Vertreter der Besatzungsverwaltung in Deutschland und der britischen Regierung verständigten sich damals auf ein Kommunalwahlrecht für die britische Besatzungszone: Ein Teil der Abgeordneten sollte mit relativer Mehrheit in Wahlkreisen, ein anderer nach dem Parteienproporz aus Listen gewählt werden.