Articles for author: Nora Markard

Direkte Demokratie und Popularklage: Proposition 8 bleibt unverteidigt

In Kalifornien darf wieder geheiratet werden, und zwar von allen. Nicht mehr und nicht weniger hat der Supreme Court in Hollingsworth v. Perry in Sachen gleichgeschlechtlicher Ehe bewirkt – die Entscheidung hat keinerlei direkte Auswirkungen auf andere Bundesstaaten, die die gleichgeschlechtliche Ehe verbieten. Aber ohne große Bedeutung ist die Entscheidung damit keineswegs, denn sie liefert die direkte Demokratie dem Staat aus. Wie von vielen, auch von mir, vorhergesagt, hat der Supreme Court sich also gegen eine Entscheidung in der Sache entschieden und stattdessen die Klagebefugnis (standing) der Kläger nach Artikel III §2 der Bundesverfassung verneint. Diese hatten ihre Proposition 8, ... continue reading

Verteidigung der Ehe durch Steuern? DOMA bröselt vor dem Supreme Court

Der Defense of Marriage Act war das zweite Projekt zur Behinderung gleichgeschlechtlicher Ehen, das vor dem Supreme Court verhandelt wurde. Wieder wurde viel über Zuständigkeitsfragen gesprochen, doch in der Sache gab es wenig zu bereden – es gibt einfach keine guten Gründe für DOMA. Allenfalls mag der Supreme Court zu vermeiden suchen, zuviel zu entscheiden und dem demokratischen Prozess in die Quere zu kommen – doch das wird schwer werden. Auch hier habe ich bereits über die Umstände des Falls berichtet – DOMA ist ein Bundesgesetz, das in seinem § 3 gleichgeschlechtlichen Ehepaaren sämtliche Bundesleistungen und –rechte vorenthält, indem es ... continue reading

„Newer than cellphones and the internet“: Die Homo-Ehe vor dem US Supreme Court

Zwei Dinge zeichnen sich nach der mündlichen Verhandlung um das kalifornische Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen ab: Erstens wird der Supreme Court den Fall jedenfalls nicht auf Kalifornien beschränkt entscheiden. Zweitens überzeugt eine Beschränkung der Entscheidung auf das Label „Ehe“ (das nur acht Staaten betrifft) die Richter und Richterinnen nicht, da dies (nur) die Staaten bestraft, die doch bereits weitgehende Gleichstellung eingeführt haben. Damit steht der Supreme Court vor einer Alles-oder-nichts-Entscheidung: Entweder entscheidet er, dass die Bundesverfassung gleichgeschlechtliche Ehen in allen 50 Bundesstaaten erfordert oder nicht erfordert, oder er stützt sich auf eine Zulässigkeitsfrage, um den Fall nicht zu entscheiden – dies ... continue reading

A switch in time: Der Chief Justice hat die Gesundheitsreform in letzter Minute gerettet

Ich habe nun den dissent gelesen und bin fasziniert – denn der dissent liest sich nicht wie der vor Wut schäumende Scalia, den ich erwartet hatte. Er liest sich wie das Urteil einer souveränen Mehrheit. Hat Chief Justice Roberts im letzten Moment die Seite gewechselt? Die Anzeichen sind mehr als deutlich, sie sind eindeutig. Zunächst die Einleitung – erwartet hätte ich ein Eingangsstatement, dass an diesem schicksalhaften Tag der Supreme Court die föderale Ordnung für immer verändert hat und dass die „Framers of the Constitution“ sich gerade im Grab umdrehen. Doch keineswegs: Congress has set out to remedy the problem ... continue reading

Brokkoli für alle! Obamas Gesundheitsreform passiert den Supreme Court

Die gute Nachricht zuerst: Amerika hat nun ein Gesundheitssystem. Der Supreme Court hat, vielen Befürchtungen zum Trotz, den Patient Protection and Affordable Care Act (ACA), Obamas große Gesundheitsreform – und einen der wenigen Meilensteine seiner Präsidentschaft – für verfassungsmäßig erklärt, jedenfalls in seinen wesentlichen Teilen. Zu entscheiden hatte der Supreme Court zum einen über die Frage, ob die Einführung einer allgemeinen Versicherungspflicht, abgesichert durch eine Steuerstrafe, von den enumerierten Bundeskompetenzen umfasst ist. Zur Debatte standen die Kompetenz zur Regulierung des Handels zwischen den Bundesstaaten (Commerce Clause) und die Steuerkompetenz (Taxing Clause); notfalls die Auffangklausel (Necessary and Proper Clause), die integrale ... continue reading

Tag 3 vor dem Supreme Court: Die Pferdefüße des Solidarsystems

Mit der heutigen Doppelsitzung endete das Verhandlungsmarathon um die Gesundheitsreform vor dem US Supreme Court. Am Montag war erörtert worden, ob der Supreme Court die Sache überhaupt entscheiden darf, bevor die ersten Bußgelder für die Missachtung der Versicherungspflicht fällig werden. Am Dienstag ging es dann um die Versicherungspflicht selbst, genauer um die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Gestern nun stellte sich am Vormittag die Frage, welche Folgen eine Verfassungswidrigkeit der individual mandate provision für den Rest des Gesetzes haben würde. Take the bitter with the sweet In erster Instanz hatte der District Court für North Florida befunden, das gesamte Gesetz müsse fallen; ... continue reading

Tag 2 vor dem US-Supreme Court: Freiheit oder Solidarsystem?

Am Dienstag ging die mündliche Verhandlung über die Gesundheitsreform vor dem Supreme Court in die zweite Runde. Heute ging es sozusagen ans Eingemachte: Erörtert wurde die Frage, ob die bußgeldbewehrte Versicherungspflicht, die individual mandate provision, in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt. Drei Kompetenznormen kommen hierfür in Betracht: die commerce clause, die tax clause und die necessary and proper clause des Art. 1 der US-Verfassung. Steuern und andere Steuern Die Frage nach der Steuer hatte Regierungsvertreter Solicitor General Verrilli bereits gestern in die Bredouille gebracht, denn anders als noch in den Vor­instanzen argumentiert die Regierung vor dem Supreme Court, das Bußgeld ... continue reading

Steuern oder Steuerung? US Supreme Court beginnt Verhandlung um Gesundheitsreform

Heute begann das dreitägige Verhandlungsmarathon um den Patient Protection and Affordable Care Act vor dem US-Supreme Court. Die Verhandlung war mit großer Spannung erwartet worden. Bereits am Freitag begann das Schlangestehen, offenbar vor allem von bezahlten Schlangestehern zu 36 USD die Stunde, aber auch von hartnäckig Interessierten. Eine zeitgemäße Live-Berichterstattung hatte das Gericht unterbunden: Nur Stift und Block durften benutzt werden. Dafür hat der Supreme Court einen kompletten Audio-Mitschnitte veröffentlicht, dazu eine Transkription mit den Namen der Sprechenden. Die Sitzung widmete sich der Frage, ob die Klagen gegen die Versicherungspflicht gegen den Anti-Injunction Act von 1867 verstoßen: „pay first, litigate ... continue reading

US Supreme Court hört Klagen gegen Obamas Gesundheitsreform

Nur mit großer Mühe konnte US-Präsident Obama 2010 eines seiner größten Wahlversprechen durch den Congress bringen: Gesundheitsversorgung für alle. Nun liegt nun der Ball im Feld der Gerichte. Am 26.-28. März 2012 wird der US-amerikanische Supreme Court die Klagen gegen die Gesundheitsreform in mündlicher Verhandlung hören. Freerider im Gesundheitssystem? In den USA sind derzeit etwa 64 % der Bevölkerung privat versichert, 31 % haben eine staatlich geförderte (Zusatz-)Versicherung wie Medicare oder Medicaid. Die staatlichen Programme dienen aber nur der Absicherung besonders schutzbedürftiger Gruppen – 16 % der Bevölkerung sind überhaupt nicht krankenversichert, v.a. People of Color, Geringverdienende, junge Erwachsene und Ausländer_innen. In ... continue reading