Aus dem Deutschen Bundestag hört man, dass der neue Fiskalpakt mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden solle. Eine kurze Überlegung dazu, warum dies geboten sein könnte, wirft auch ein bezeichnendes Blick auf die juristischen Konjunkturen der europäischen Integration.
Grundsätzlich sollen völkerrechtliche Verpflichtungen einer bestimmten Wertigkeit durch ein parlamentarisches Zustimmungsgesetz verbindlich gemacht werden, so schreibt es Art. 59 Abs. 2 GG vor. Wenn die internationale Verpflichtung die Verfassung ändert, so könnte man meinen, müsste auch ein verfassungsänderndes Parlamentsgesetz mit qualifizierter Mehrheit entsprechend Art. 79 Abs. 2 GG beschlossen werden.
Dieser Schluss ist aber keineswegs zwingend. Schließlich werden in diesem Fall auch andere Regelungen der Verfassungsänderung nicht beachtet, so die Pflicht des Art. 79 Abs. 1 GG, den Text des Grundgesetzes zu ändern.
Zudem sah der alte Art. 24 GG vor, dass hoheitsrechtliche Befugnisse durch einfaches Gesetz auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen werden konnten. So wurden die längste Zeit Gründungs- und Vertiefungsakte im Prozess der europäischen Integration mit einfacher Mehrheit vom Bundestag umgesetzt.
Dies scheint sich erst mit der Zustimmung des Vertrags von Maastricht verändert zu haben, der zugleich den heute geltenden Art. 23 Abs.1 Satz 2 und 3 GG eingeführt hat. Dieser verlangt in bestimmten Fällen eine verfassungsändernde Mehrheit ohne Änderung des Verfassungstextes.
Freilich ist die Regelung unklar, weil jede Übertragung von Hoheitsakten (Satz 2) materiell den Inhalt des Grundgesetzes (Satz 3) ändert. Die vom Grundgesetz gezogene Unterscheidung trägt nicht. Es bleibt damit bei einer Art Daumensteuerung, in der man „im Zweifel“ oder bei „Wichtigen“ besser eine Zwei-Drittel-Mehrheit anruft, zumal man sie meistens einfach zusammen bekommt.
Zugleich möchte der politische Prozess damit wohl auch den Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts anheben, das in diesem Fall nur noch die absoluten Änderungsgrenzen des Art. 79 Abs. 3 GG zu prüfen hat.
Dass ein solches race to the top der Normenhierarchie ins Auge gehen kann, hat sich freilich an der Bereitschaft des Gerichts gezeigt, solche absoluten Grenzen zu entwickeln. Schon droht es damit, den Prozess der Euro-Rettung an diesen Grenzen scheitern zu lassen. Da hülfe auch keine Zwei-Drittel-Mehrheit.