Keine vier Monate ist es her, dass das Bundesverfassungsgericht den § 130 IV StGB mit dem Argument gerechtfertigt hatte, dass die Verherrlichung des Nationalsozialismus durch die Meinungsfreiheit nicht geschützt sei, weil der Nationalsozialismus für die Anti-Nazi-Verfassung Grundgesetz eben keine schützenswerte Meinung unter vielen sei, sondern das Gegenteil einer schützenswerten Meinung.
Jetzt schiebt die 2. Kammer des Ersten Senats eine Entscheidung hinterher, die auf den ersten Blick in die entgegengesetzte Richtung zu weisen scheint:
Die bayerische Justiz hatte ein Trüppchen Augsburger Rechtsextreme wegen Volksverhetzung verurteilt, weil sie 2002 Plakate mit der Aufschrift „Aktion Ausländer-Rück-Führung – für ein lebenswertes deutsches Augsburg“ geklebt hatten. Die Plakate, so das LG Augsburg, suggerierten, dass eine Stadt, in der Ausländer leben, nicht lebenswert sei. Dies verletze die Menschenwürde.
Meinungsfreiheit
Den Verfassungsrichtern gingen die bayerischen Richter dabei aber allzu flüchtig über das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinweg. Die Richter hätten in den Plakatslogan einen Sinn hineingelesen, den er objektiv nicht habe. Immerhin könne man ihn auch so verstehen, dass damit für ein liebes, freundliches Ausländer-Rückführ-Programm plädiert wird, nach dem Motto: Wenn ihr freiwillig abzieht, kriegt ihr eine Mark.
Entschuldigung, jetzt bin ich sarkastisch geworden.
Der Text, so die Kammer weiter, sei zwar ohne Zweifel ausländerfeindlich. Aber Ausländerfeindlichkeit allein sei nicht strafbar. Ausländerfeindliche Meinungen verstießen zwar gegen die Werte des Grundgesetzes und das Toleranzgebot. Aber das sei noch kein Grund, ihnen den Schutz der Meinungsfreiheit zu entziehen:
Die Bürger sind rechtlich nicht gehalten, die Wertsetzungen der Verfassung persönlich zu teilen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht. Die Bürger sind grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern. Die plurale Demokratie des Grundgesetzes vertraut auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich mit Kritik an der Verfassung auseinander zu setzen und sie dadurch abzuwehren (…).
Das ist ja alles gut und richtig. Aber die Typen haben mit ihrem Plakat die Deportation aller Leute gefordert, die keine Volksdeutschen sind. Das sieht doch jeder.
Das Amtsgericht hat das so gesehen, das Landgericht und das Bayerische Oberste. Drei Instanzen. Ist diese Auslegung wirklich so krumm, dass das BVerfG dagegen einschreiten muss?