Articles for category: The Climate Verdict of the German Federal Constitutional Court

Klimaschutz oder Sozialstaat?

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz vom 24. März 2021 hat der Bundestag mit Gesetzesbeschluss vom 24. Juni 2021 mit dem Ziel umgesetzt, den monierten verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Parallel zur Umsetzung nimmt eine Debatte über die soziale Dimension des Klimaschutzes Fahrt auf: Der soziale Ausgleich müsse beim Klimaschutz mit bedacht werden.

„Elfes“ Revisited?

So überzeugend der Klimabeschluss des BVerfG im Hinblick auf die strukturelle Koppelung der planetaren Grenzen in Form des 1,5-2 Grad-Ziels mit Art. 20a GG im Ergebnis ist, so sehr wirft doch der grundrechtliche Weg dahin in rechtsdogmatischer Hinsicht viele Fragen auf. Ich konzentriere mich in diesem Beitrag auf die Frage, ob der Erste Senat die berühmte, aber zugleich auch umstrittene „Elfes“-Konstruktion fruchtbar macht und in diesem Rahmen einen im Hinblick auf die Grundrechtsdogmatik tragfähigen und zukunftsweisenden Weg beschritten hat.

Administrierte Freiheitschancen

Klimaneutralität als alternativloses Ziel politischen Handelns hat jetzt das höchstrichterliche Plazet. Zugleich befördert die neue intergenerationale Vorwirkungsdogmatik einen klimapolitischen Unilateralismus, der so manche ökonomische Binsenweisheit in den Wind schlägt: Trittbrettfahren und carbon leakage werden bei unilateralem Vorpreschen noch für klimapolitische Ernüchterung sorgen.

Die Freiheit der Anderen

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz ist ein rechtspolitisch wichtiges Signal, auf das die Politik umgehend reagiert hat. Doch so wünschenswert es aus rechtspolitischer Sicht auch sein mag, so unklar sind die grundrechtsdogmatischen Implikationen. Hierzu einige – eher skizzenhafte – Überlegungen.

Generationengerechtigkeit und Fiskalpolitik

In seinem Beschluss zum Klimaschutzgesetz hat das BVerfG nicht nur den Klimaschutz gestärkt, sondern auch ein anderes Prinzip aus Art. 20a GG betont: die Generationengerechtigkeit. Bisher gelten in Deutschland oftmals Schuldenbremse und schwarze Null als generationengerechtes Optimum. Diese Ausrichtung ist jedoch das genaue Gegenteil einer Generationengerechtigkeit, wie sie nun auch das BVerfG auslegt.

Separation of Powers in Climate Cases

On 29 April 2021, the Bundesverfassungsgericht published its decision that the Federal Climate Change Act of 12 December 2019, establishing national climate targets and annual emission amounts allowed until 2030, violates fundamental rights. Do the judges in such a case undermine separation of powers as a time-honoured achievement of modern constitutional democracies in order to force the political branches to take urgently necessary actions? No. By allocating different functions to the three branches, executive, legislature, and judiciary, separation of powers aims to ensure that the tension between law and majoritarian politics is perpetuated and that neither law nor politics dominates the other.

Climate Revolution with Weaknesses

With a real bang, the German Federal Constitutional Court has adjudicated what is probably the most far-reaching decision ever made by a supreme court worldwide on climate protection. This does not preclude the fact that the decision also has considerable weaknesses.

Ein Grundrecht auf Generationengerechtigkeit?

Der Klimaschutz-Beschluss des BVerfG hat auch über das Umweltrecht hinaus Bedeutung, etwa für den Rechtschutz der jungen Generation in den Bereichen der sozialen Sicherungssysteme oder der Staatsverschuldung. Sie gibt Anlass, sämtliche Säulen des gesellschaftlichen Lebens, bei denen Entscheidungen der Gegenwart zu Lasten für künftige Generationen führen, auf mögliche Beschränkungen intertemporaler Freiheiten abzuklopfen.

Klimaschutz aus Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht fordert in seinem historischen Klima-Beschluss, über 2031 hinaus zu definieren, wie Emissionen zu reduzieren sind. Die Pointe dieser Konstruktion liegt darin, dass der Gesetzgeber hier nicht nur punktuelle Änderungen für den Zeitraum ab 2031 vornehmen kann, ohne mit anderen Vorgaben Karlsruhes in Konflikt zu geraten.

Keine Schutzpflicht vor zukünftigen Freiheitsbeschränkungen – warum eigentlich?

Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Beschluss vom 24.03.2021 die Verpflichtung für den Gesetzgeber auf, auch für nach 2030 Emissionsziele festzuschreiben. Insoweit das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) dieses nicht schon heute tut, ist es verfassungswidrig. Dass Karlsruhe hierfür nicht die dogmatische Figur der Schutzpflicht heranzieht, hängt auch mit selbstauferlegten Zwängen des Gerichts zusammen. Dabei äußert sich im Klimabeschluss zugleich ein tieferliegendes Problem der Maßstabsbildung durch das Bundesverfassungsgericht.