Articles for category: MPI-CSL-Beitrag

Zurückweisungen vor Gericht

Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 2.6.2025 im Eilverfahren entschieden, dass drei Asylsuchenden der Grenzübertritt nach Deutschland zu gestatten ist, um im Anschluss ein Dublin-Verfahren durchzuführen. Der Beschluss bestätigt die herrschende Auffassung in der Wissenschaft: Zurückweisungen an der Grenze sind europarechtswidrig. Auch eine Notlage wurde nicht substanziell begründet. An der jetzigen Praxis festzuhalten ist daher inakzeptabel.

Challenging Safe Access

Safe Access Zones (SAZ) in Great Britain, in force since autumn 2024, establish protective areas around abortion service providers and criminalise specific behaviours within these zones. However, ongoing anti-abortion protests raise questions about the practical enforceability of the new laws. This article examines whether SAZ laws can withstand these challenges and argues that they succeed in striking a fair balance between the rights of anti-abortion demonstrators and pregnant persons seeking access to lawful abortion services under the European Convention on Human Rights (ECHR).

Georgia’s Foreign Agent Law 2.0

Tolga Şirin recently argued for activating interim measures under Rule 39 of the European Court of Human Rights in cases of political prosecution, such as that of Istanbul’s mayor İmamoğlu. This argument gains renewed urgency in light of Georgia’s proposed foreign agent law. Indeed, as civil society organizations (CSOs) face the threat of criminal sanctions under “Foreign Agent Law 2.0”, Rule 39 could become their last remaining remedy.

Rechtsextremismus im Partybeat

Im vergangenen Jahr ertönten auf Sylt offen rassistische Parolen – dennoch wurde das Verfahren eingestellt. Dabei enthält der Volksverhetzungsparagraf eine oft unbeachtete Tatbestandsvariante, die genau solche kollektiven Verunglimpfungen erfasst. Gerade angesichts des wachsenden Einflusses rechtsextremer Einstellungen gewinnt die präzise strafrechtliche Einordnung an Bedeutung: Sie schafft die Grundlage, um gesellschaftliche Grenzen für Fehlverhalten klar zu ziehen. Das Schweigen der Staatsanwaltschaft sendet ein besorgniserregendes Signal.

Dobrindts Rechtsbruch

Der neue Innenminister Alexander Dobrindt hat am 7. Mai 2025 die Bundespolizei angewiesen auch Schutzsuchenden bei Binnengrenzkontrollen die Einreise basierend auf § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG zu verweigern (und diese in den jeweiligen angrenzenden Staat zurückzuweisen). Damit sind die bei Schutzsuchenden verpflichtend durchzuführenden Dublin-Verfahren für diese Personengruppe faktisch ausgesetzt. Davon ausgenommen sind nur „erkennbar vulnerable Personen“, die „weiterhin an die zuständigen Stellen oder Erstaufnahmeeinrichtung weitergeleitet werden.“ Diese Aussetzung des Dublin-Verfahrens an den deutschen Binnengrenzen ist evident rechtswidrig – also ein klarer Rechtsbruch.

Criminalising Boycott Calls

Can a call for boycott ever amount to hate speech? In an era of deepening political divides, the question is increasingly influenced by geopolitics rather than human rights law: The Turkish government's criminalization of boycott calls in response to protests against political repression highlights the dangers of weaponizing hate speech laws, echoing a global double standard that undermines the universal application of human rights protections.

Falsches Vertrauen

Die Rechtstaatlichkeit der Türkei ist in den letzten Wochen erneut unter starken Beschuss gekommen. Aus Deutschland folgen jedoch weiterhin keine Konsequenzen. Wenn der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Auslieferungsrecht nicht ständig überprüft wird, gefährdet dies die Integrität der Justiz. Eine Aussetzung von Auslieferungen in die Türkei könnte dem Rechtsstaatsbedürfnis beider Länder dienen und eine längst überfällige Neubewertung der justiziellen Bedingungen anstoßen.

Volksverhetzung und die Entziehung des passiven Wahlrechts

Ein neuer Vorstoß zur Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen wirft heikle Fragen zur Grenze zwischen Strafrecht und Meinungsfreiheit auf. Wird das passive Wahlrecht an politisch aufgeladene Tatbestände geknüpft, droht ein gefährlicher Präzedenzfall - mit weitreichenden Folgen für die politische Teilhabe und das Vertrauen in den Rechtsstaat. Gerade der Umgang mit § 130 StGB erfordert deshalb juristische Zurückhaltung und ein gefestigtes Verständnis demokratischer Resilienz.