Articles for category: Frankreich

Fünf Gemeinplätze zu rechtswissenschaftlichen Blogs, und was von ihnen zu halten ist

In einigen Wochen wird dieser Blog fünf Jahre alt. Der Geburtstag ist zwar erst am 30. Juli, und sich selbst zu gratulieren, bevor der Tag überhaupt da ist, bringt bekanntlich doppelt Unglück. Deshalb will ich mich damit gar nicht aufhalten, sondern lieber aufschreiben, was mir anlässlich einer kleinen Tagung in Paris durch den Kopf geht, an der ich am Montag teilnehmen durfte. Sie fand an der Ecole Normale Supérieure statt und versammelte ein gutes Dutzend französischer Juristinnen und Juristen teils mit aktivem, teils mit beobachtendem Interesse am Tagungsthema, nämlich: "Les blogs juridiques".

Frankreichs Verfassungsrat setzt Ämterhäufung bei Parlamentariern ein Ende

Mitte Februar hat der französische Verfassungsrat das Schlusskapitel eines Politik- und Verfassungskrimis geschrieben, der seit drei Jahrzehnten andauert: Die Weisen haben das verfassungsausführende Gesetz (loi organique) zum Verbot der Ämterhäufung bei Parlamentariern (cumul des mandats) – eine in Frankreich beliebte Praxis – für weitestgehend verfassungskonform erklärt. Aufgrund der neuen Bestimmungen wird es den Mitgliedern des nationalen Parlaments, bestehend aus Assemblée Nationale und Sénat, ab 2017 nicht mehr möglich sein, neben ihrem Parlamentsmandat ein lokales Exekutivamt auszuüben. Diese Neuerungen, welche im Vorfeld zu hitzigen Debatten und zu einem Zerwürfnis der beiden Kammern des Parlaments geführt hatten, dürften das institutionelle Gefüge der Legislative und somit den Politikbetrieb der Republik in naher Zukunft auf den Kopf stellen.A month ago, the French Constitutional Council conducted the final episode of a political and constitutional saga which has lasted for three decades: The judges declared largely constitutional an Institutional Act (loi organique) prohibiting the plurality of offices (cumul des mandats) with national MPs, that is to say members of the Assemblée Nationale and the Sénat. According to the new provisions, MPs will from 2017 onwards no longer be permitted to hold a local public office of executive nature in parallel to their parliamentary mandate – which is a widespread practice in France. It is expected that the reform, which had led to heated public debate and to a discord of the two chambers of Parliament, will profoundly alter the institutional landscape of the legislative branch and, hence, French politics.

Das Burka-Verbot vor dem Straßburger Gerichtshof

Anlässlich der heutigen Verhandlung heute vor dem EGMR in Sachen S.A.S. v. Frankreich will ich es dabei belassen, auf meinen Wutanfall vor einem knappen Jahr zum Thema Burka-Verbot zu verlinken. Ich will verhüllt auf die Straße gehen können, hatte ich damals geschrieben, und das will ich heute noch. Ich halte das französische und belgische Burka-Verbot für ein ausgesprochen gefährliches und niederträchtiges Stück Gesetzgebung, und das nicht nur wegen seiner drangsalierenden, diskriminierenden und marginalisierenden Folgen für die ohnehin schon mehr als genug drangsalierten, diskriminierten und marginalisierten Salafisten-Ehefrauen, sondern als Ausdruck eines Gesellschaftsbilds oppressiver Transparenz, das mir Angst macht. Ich hoffe nur, ... continue reading

„Gläserne Abgeordnete“ in Frankreich sind verfassungsmäßig

Heute ist der Tag des Abgeordnetenrechts, scheint es. Auch im Nachbarland Frankreich hat der Verfassungsrat heute ein wichtiges Urteil zu den Rechten und Pflichten der Parlamentarier gefällt. Es geht um die drakonischen Vorschriften, die seit neuestem für die Veröffentlichung des Vermögens und der Berufstätigkeit von Abgeordneten des Senats und der Nationalversammlung gelten. Die waren von Präsident Hollande erzwungen worden, nachdem dessen Budgetminister Jérôme Cahuzac als Inhaber schwarzer Konten im Ausland aufgeflogen und angeklagt worden war. Sie haben es wirklich in sich: Die Parlamentarier müssen gegenüber einer Behörde erklären, was sie besitzen und für wen sie alles arbeiten bzw. in den ... continue reading

Französischer Verfassungsrat akzeptiert Liberalisierung der Stammzellenforschung

Auch in Frankreich gibt es ein Verfassungsgebot, die Menschenwürde zu schützen. Es folgt aus der Präambel der Verfassung von 1946, auf die die Präambel der aktuellen Verfassung Bezug nimmt und die besagt, dass jeder Mensch „des droit inaliénables et sacrés“ besitzt. Daraus hat der Verfassungsrat 1994 geschlussfolgert, dass der „Schutz der Würde des Menschen vor jeder Unterwerfung und Erniedrigung“ ein Prinzip von Verfassungsrang ist. Anlass dieser Entscheidung war ein Gesetz, das die Forschung an Embryonen unter eng begrenzten Ausnahmen verboten hat. Jetzt gibt es wieder ein Gesetz zu diesem umstrittenen Thema, und diesmal geht der gesetzgeberische Wille in die andere ... continue reading

Kein Recht auf Whistleblowing für Anwälte

In diesen Zeiten der Fassungslosigkeit über das Ausmaß überwachungsstaatlicher Methoden im vermeintlichen Rechtsstaats-Paradies westlicher Demokratien verdienen Nachrichten über so genannte Whistleblower besondere Aufmerksamkeit - Leute wie Edward Snowden, die extreme persönliche Risiken auf sich nehmen, um Fälle staatlichen oder privaten Machtmissbrauchs öffentlich zu machen. Ob Maître Olivier Morice ein Whisteblower ist, weiß ich nicht. Jedenfalls scheint mir aber das Urteil, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte heute in seinem Fall veröffentlicht hat, für Anwälte als Whistleblower nichts Gutes zu bedeuten.

Es geht eben doch: Nochmals zur ersten Vorlage des Conseil Constitutionnel an den EuGH

Man muss als nationales Höchstgericht in EU-Angelegenheiten nicht mit Ultra-vires-Knüppeln hantieren oder sich in Zentralbankangelegenheiten einmischen, um die Rechtsgemeinschaft hoch zu halten. Im Gegenteil. Dies bestätigt der vorläufige juristische Schlussakt in Sachen Jeremy F. Der Reihe nach. Fünfeinhalb Jahre Haft u.a. wegen Kindesentführung verhängte ein Londoner Gericht am 21. Juni 2013 gegen den vormaligen Schullehrer Jeremy F., der im September 2012 mit einer 15-jährigen Schülerin außer Landes geflohen und in Frankreich festgenommen worden war. Der Fall machte europaweit Schlagzeilen. Daneben gab es eine juristische Besonderheit: Im Verlaufe des Falles hatte nämlich der französische Conseil constitutionnel (CC) am 4. April 2013 ... continue reading

La République gegen Rasse

Frankreich will das Wort "Rasse" aus seiner Gesetzgebung tilgen. Das klingt löblich - tatsächlich ist diese Art des billigen Symbolismus geeignet, den Kampf gegen Rassismus schwerer zu machen statt ihn zu erleichtern.