Articles for category: Ungarn

„Die Krise ist ein Perpetuum Mobile“

Was sehen Sie vor sich, wenn Sie an Europa 2023 denken? Ich rechne damit, dass die Europäische Union fortbesteht, aber in der Form einer differenzierten Integration. Und zwar nicht im Sinne eines Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, wo sich nach einer Weile dann doch wieder alles in einer politischen Union einfindet, sondern funktional spezifisch. Das heißt, dass es für bestimmte Bereiche wie Währungsunion, Außenpolitik, Binnenmarkt etc. eine unterschiedliche verfestigte funktionale Zusammenarbeit zwischen bestimmten Staaten gibt. Jeweils mit eigenem institutionellem Setup? Mit einem nach diesen Funktionsbereichen deutlich differenzierten Setup. Das bedeutet, dass die Vorstellung einer staatsähnlichen politischen Union nicht das ist, womit ... continue reading

Ungarns Verfassungsgericht: Das Imperium schlägt zurück

Das ungarische Verfassungsgericht, so scheint es, ist trotz aller Versuche der Fidesz-Regierung, es zu schwächen, immer noch zu effektivem Widerstand in der Lage. Doch die Regierung mit ihrer Zweidrittelmehrheit im Parlament scheint entschlossen, diesen Widerstand zu brechen. Jetzt bereitet sie ein Gesetz vor, das dem Gericht verbieten soll, seine eigene Rechtsprechung der letzten 20 Jahre seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen. Nur noch die neue, von der Regierung alleine durchgesetzte Verfassung soll Basis seiner Arbeit sein dürfen. Das Verfassungsgericht, eingerichtet ab 1.1.1990 nach deutschem Muster, besaß  auch im internationalen Vergleich lange Zeit ziemlich umfangreiche Kompetenzen. Die wichtigste dieser Kompetenzen war die ... continue reading

Ungarn hat doch noch ein Verfassungsgericht

Das ungarische Verfassungsgericht ist nach der Beschneidung seiner Kompetenzen durch die neue Verfassung und nach dem durchgezogenen Court-Packing-Scheme der Regierung Orbán nur noch ein Schatten einer selbst – aber offenbar ein immer noch funktionstüchtiger Schatten. Das zeigt die heutige Entscheidung, das Wählerregistrierungsgesetz zu kippen. Zu den Hintergründen hier und hier. Der Pressemitteilung zufolge (das Urteil liegt offenbar nur auf ungarisch vor) hat das Gericht an drei Dingen Anstoß genommen: Da ist erstens die Regelung, dass sich auch innerhalb der ungarischen Landesgrenzen ansässige Wähler künftig spätestens 14 Tage vor der Wahl registrieren lassen müssen. Die Opposition hatte das als Versuch der ... continue reading

Altersdiskriminierung: EuGH kippt Ungarns Justizreform

In Karlsruhe wird heute und morgen über fundamentale Verfassungsfragen verhandelt: Heute geht es um die Antiterrordatei, morgen um den Deal im Strafprozess. Ich bin leider diesmal nicht vor Ort. Wir arbeiten daran, künftig solche Termine regelmäßig covern zu können, aber wir sind leider noch nicht so weit. Um so mehr tröstet mich, dass es dafür heute auch aus Luxemburg allerhand Interessantes zu berichten gibt. Die erste bedeutende EuGH-Entscheidung des Tages betrifft unsere Lieblingsdemokratur Ungarn: Die hat ihr Vertragsverletzungsverfahren, das sie sich wegen der Säuberung der Justiz per Rentenalterabsenkung eingefangen hatte, krachend verloren. Eine der vielen fragwürdigen Aktionen der nationalkonservativen FIDESZ-Regierung ... continue reading

Ungarn, UK, USA: Wählen ist was für die besseren Leute

Eine Woche trennt uns noch vom Wahltag in den USA. Zu den vielen unerfreulichen Dingen, die wir im Vorfeld dieses Ereignisses erfahren durften, gehört die Tatsache, dass eine ganze Reihe von heiß umkämpften, aber republikanisch regierten Staaten eigens Gesetze erlassen haben, die die Stimmabgabe an die Vorlage bestimmter Identifikationsdokumente knüpfen – angeblich um Wahlbetrug zu erschweren. Das hat den Neben- bzw. je nach Sichtweise auch den Haupteffekt, dass die Wahlchancen der Demokraten in diesen Staaten sinken, weil die betroffenen Wähler ganz überwiegend demokratisch wählen. Versuche, die Zusammensetzung der Wählerschaft zu Gunsten der Regierungsmehrheit manipulieren wollen, gibt es indessen nicht nur ... continue reading

Keine Freizügigkeit für Staatsoberhäupter

László Sólyom ist ein Bürger der Europäischen Union und hat als solcher das Recht, aus seinem Heimatland Ungarn in die Slowakei zu reisen, wann immer er das möchte. Er muss nur seinen Ausweis vorlegen, dann müssen die Slowaken ihn reinlassen. Das befiehlt ihnen Art. 21 AEUV. Nun war Herr Sólyom 2009 nicht nur Unionsbürger, sondern auch noch Präsident der (damals noch so genannten) Republik Ungarn. Staatsoberhaupt also. Und Staatsoberhäupter muss man mitnichten einreisen lassen: Denn für sie gelten besondere völkerrechtliche Regeln, etwa der Diplomatenstatus. Eine derartige Besonderheit ist geeignet, die Person, die diesen Status genießt, von allen anderen Unionsbürgern abzugrenzen, ... continue reading

How to Evade the Constitution: The Hungarian Constitutional Court’s Decision on Judicial Retirement Age, Part II

Part Two: “The System Remains” (Continued from Part 1: The Decision) On the question of remedies offered by the Court decision itself, the Constitutional Court engaged in what I’ve called elsewhere “new judicial deference.” In practicing new judicial deference, a court makes a brave decision on the law but then fails to give the claimant any meaningful relief.  The claimant wins big on principle.  But if you are actually the claimant who brought the case seeking some change in your situation, you discover that you got only words.  In the judicial retirement age case, the Court did not have the ... continue reading

How to Evade the Constitution: The Hungarian Constitutional Court’s Decision on Judicial Retirement Age, Part I

By KIM LANE SCHEPPELE Part One: The Decision On Monday 16 July, the Hungarian Constitutional Court handed down its biggest decision of the year.   It held that the sudden lowering of the retirement age for judges is unconstitutional because it gave the judges no time to prepare for the change and because it created an unclear framework in which different judges were set to retire at different ages.   (Decision 33/2012. (VII. 17.) AB határozat.) The decision appears to be a major defeat for the government, delivered by a Constitutional Court that Prime Minister Viktor Orbán had packed with new judges.  ... continue reading

Romania In Hungary’s Footsteps: Different Victor, Same Strategy

By ANITTA M. HIPPER On January 1, 2012 with an ammended Constitution in place, a once praised EU accession candidate, Hungary, proved that rule of law and consolidated judicial institutions are not at all irreversible. A new shift of power brought to Budapest the necessary political power that allowed Viktor Orbán and the FIDESZ government to silence the Hungarian Constitutional Court, one of the strongest and most active Courts in Central and Eastern Europe. It does not come as surprise, when Romania, considered by EU officials a laggard in fulfilling EU’s conditionality, goes along the same path as Hungary, when ... continue reading

“Is it a dictatorship and a police state yet?” Scheppele and Halmai on current Hungarian constitutional politics

Ever since the sweeping election victory of Victor Orbán’s FIDESZ party in 2010, there has been an international controversy about the developments in Hungary’s political landscape. In most cases, the reception given to the political initiatives of the Orbán government and its parliamentary super-majority (the current coalition controls over two thirds of the legislature) have been extremely negative. Most attention focused on a new media law and on the new constitution (see here, here, and here; for a more positive commentary, see here). The ruling majority had drafted and passed this constitution in a controversial process that was, for many ... continue reading