Articles for category: Regionen

Das grausige Schicksal der Staatenlosigkeit

Staatenlos – das klingt wie ein Anachronismus, wie tiefstes 20. Jahrhundert, das klingt nach Nansen-Pass und Schwarzweißfilmdrama. Der Fall Rottmann, anhängig vor dem EuGH und gestern von Generalanwalt Maduro im Schlussantrag begutachtet, hat etwas zutiefst Gruseliges in diesen Zeiten nationaletatistischer Reaktion. Im Kern sagt Maduro: Jawoll, es kann einem EU-Bürger passieren, dass er plötzlich ohne Staatsangehörigkeit dasteht. Die EU-Bürgerschaft schützt ihn nicht davor. Der Österreicher Janko Rottmann hatte in München die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt und dabei verschwiegen, dass er daheim in Graz wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges gesucht wurde. Das blieb den bayerischen Behörden aber nicht lange verborgen, und so entzogen ... continue reading

Bespitzelungs-Affäre, my ass…

Ich mag ja den Rüttgers auch nicht besonders. Aber die so genannte „Video-Affäre“, tut mir leid, die scheint mir von vorn bis hinten eine totale Nullnummer zu sein. Hab ich das richtig verstanden? Rüttgers stand blamiert da nach seiner von Jusos gefilmten und auf Youtube gestellten Rumänen-Beschimpf-Nummer. Seine Leute fanden es eine gute Idee, eine Retourkutsche zu versuchen und SPD-Landeschefin Hannelore Kraft bei ihren Wahlkampfauftritten ebenfalls zu filmen. Die SPD jammert scheinheilig über die „Bespitzelung“ (als ob Gegnerbeobachtung nicht seit Jahrzehnten das aller stinknormalste Wahlkampf-Uralt-Tool der abendländischen Zivilisation wäre…). Rüttgers‘ Büroleiter Berger schickt der CDU-Landeszentrale harsche Anweisungen per E-Mail vom ... continue reading

Kann ein Plebiszit verfassungswidrig sein?

Die Antwort scheint ganz einfach: Klar kann es. Nach deutschem Verfassungsdenken ist ein per Volksabstimmung in Kraft gesetztes Gesetz auch nur ein Gesetz und hat sich am Maßstab der Verfassung messen zu lassen. Anderenorts ist das keineswegs so selbstverständlich. Die Antwort scheint ganz einfach: Klar kann es. Nach deutschem Verfassungsdenken ist ein per Volksabstimmung in Kraft gesetztes Gesetz auch nur ein Gesetz und hat sich am Maßstab der Verfassung messen zu lassen. Anderenorts ist das keineswegs so selbstverständlich.

An Deutschland wird Lissabon nicht mehr scheitern

Das ging schnell, und das Ergebnis ist erfreulich eindeutig: Das BVerfG hat den vorerst letzten Versuch, den Lissabon-Vertrag doch noch zum Platzen zu bringen, im Ansatz gestoppt. Die 2. Kammer des Zweiten Senats – Besetzung: Broß (!), Di Fabio (!!), Landau (!!!) – hat die Verfassungsbeschwerde gegen die Begleitgesetze nicht zur Entscheidung angenommen. Und Köhler hat heute unterschrieben. Ein Ende macht die Kammer auch der Murswiek-Saga, dass das Lissabon-Urteil eine Ratifikation des Vertrags nur unter völkerrechtlichem Vorbehalt zulasse: Dafür sei überhaupt keine Notwendigkeit erkennbar, so die Kammer knapp und kühl. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 entschieden, ... continue reading

Entparlamentarisierung ins Extrem getrieben

Wir haben alle im Sozialkundeunterricht gelernt, dass das Grundgesetz nach Legislative, Exekutive und Judikative unterscheidet. Legislative, das ist das Parlament, die Volksvertretung, der Bundestag. Wir wissen aber auch alle, dass der Bundestag nur höchst selten Gesetze macht. Vier von fünf Gesetzentwürfen werden in den Ministerien geschrieben. Der Bundestag diskutiert, verändert hier und da eine Kleinigkeit, stellt Öffentlichkeit her – aber entscheiden, das tut er nicht. Die neue japanische Regierungspartei DPJ will diesen Trend, das Parlament aus der Gesetzgebung herauszudrängen, jetzt ins Extrem treiben: Die Mitglieder der Regierungsfraktion dürfen keine eigenen Gesetzesvorschläge mehr einbringen, sondern müssen stattdessen den Weg über ihre ... continue reading

US-Repräsentantenhaus: Von wegen one man, one vote

Das BVerfG hat im Lissabon-Urteil – wir erinnern uns – dem Europäischen Parlament den Bescheid ausgestellt, gar kein richtiges Parlament zu sein: weil in Malta viel weniger Wähler nötig sind, um einen Abgeordneten nach Brüssel zu schicken, als in Deutschland. Was gegen „one man, one vote“ verstoße. Derartig ausgeprägte Ungleichgewichte werden in föderalen Staaten regelmäßig nur für die zweite Kammer neben dem Parlament – in Deutschland und Österreich entspricht dieser zweiten Kammer der Bundesrat, in Australien, Belgien und den Vereinigten Staaten von Amerika der Senat – toleriert. Sie werden aber nicht in der Volksvertretung selbst hingenommen, weil diese sonst das Volk nicht ... continue reading

Keine Todesstrafe mehr in Japan?

Das sind doch mal uneingeschränkt gute Nachrichten: Japans neue Justizministerin wird Keiko Chiba, eine ausgesprochene Gegnerin der Todesstrafe. In Japan muss der Justizminister jedes Todesurteil gegenzeichnen. Daher gibt es gute Hoffnung, dass die 102 japanischen Todeskandidaten so schnell nicht hingerichtet werden.

“terms that look principled”

Eine angenehm illusionslose Beschreibung der Funktion und Legitimation der Verfassungsgerichtsbarkeit, gefunden in einem Aufsatz des Stanford-Professors Richard T. Ford in dem demnächst erscheinenden Sammelband „The Constitution in 2020“, online zu finden hier: The federal courts are a political branch of government, one of the purposes of which is to occasionally temper the excesses of representative overnment and even more occasionally to jump-start needed but stalled political reform. The purpose of judicial review is to allow welleducated and (hopefully) civic-minded elites who are relatively insulated from short-term politics to overrule the popular branches on occasion.Provided the elites are good enough at ... continue reading

Obamas Gesundheitsreform verfassungswidrig?

Das ist hübsch: Im WSJ findet ein Mensch namens Andrew Napolitano, früherer Richter aus New Jersey und jetzt „senior legal analyst“ bei Fox News, dass Obamas Gesundheitsreform verfassungswidrig ist – weil nämlich die Bundesebene gar nicht zuständig sei. Die US-Verfassung ermächtige den Kongress nur, „interstate commerce“ zu regulieren. Dienstleistungen im Gesundheitsbereich seien aber nicht grenzüberschreitend, und auch kein Kommerz: The practice of medicine consists of the delivery of intimate services to the human body. In almost all instances, the delivery of medical services occurs in one place and does not move across interstate lines. One goes to a physician not ... continue reading