Articles for category: Deutschland

Verfassungsfeind Marx?

Darf man in der Bundesrepublik unbehelligt einen Lesekreis zu Marx veranstalten? Laut Verwaltungsgericht Hamburg: Unklar. Stattfinden darf der Lesekreis ohne Einmischung staatlicher Behörden anscheinend nur, solange er sich nicht „aktiv-kämpferisch“ für Marx‘ Ideen einsetzt, da „die von Marx begründete Gesellschaftstheorie“ in wesentlichen Punkten mit den „Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar“ sei. Es lohnt sich, dieses Urteil im Detail anzuschauen.

Klimaschutz in Karlsruhe 5.0

Vor kurzem ließen mehrere Pressemitteilungen deutscher Umweltverbände Verfassungsrechtler:innen aufhorchen. Die vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Greenpeace, Germanwatch, dem Solarenergie-Förderverein Deutschland und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) im Sommer/Herbst 2023 eingereichten „Zukunftsklagen“ werden in Karlsruhe offenbar ernst genommen. Im weiteren Verfahren könnte auch das kürzlich ergangene Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zu völkerrechtlichen Verpflichtungen der Staaten mit Bezug zum Klimawandel eine wichtige Rolle spielen.

Klarheit für das Krankenhauswesen aus Karlsruhe?

Seit Jahren lähmt der Kompetenzkonflikt zwischen Bund und Ländern Reformen im Krankenhauswesen. Nun richten sich einige Länder mit einer abstrakten Normenkontrolle gegen Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Mindestmengen und zur Personalbesetzung. Die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen dürften auch für die große Krankenhausreform bedeutsam sein. Es geht um den Widerspruch zwischen qualitätsfördernder Zentralisierung und flächendeckender Versorgung. Eine Leerstelle der bisherigen Diskussion sind die Grundrechte der Patient:innen.

Tariftreue light

Ein neues Bundestariftreuegesetz soll den Bund dazu verpflichten, öffentliche Aufträge nur noch an solche Auftragnehmer:innen zu vergeben, die ihren Arbeitnehmer:innen tarifliche Arbeitsbedingungen gewähren – unabhängig davon, ob sie tarifgebunden sind oder nicht. Die Diskussion ist nicht neu: Die Ampel-Koalition scheiterte, bevor ihr Entwurf verabschiedet werden konnte. Am 6. August 2025 hat sich die Regierung im Kabinett auf einen neuen Entwurf geeinigt. Der Entwurf verfolgt das richtige Ziel, ist jedoch nicht konsequent genug, um die Tarifautonomie tatsächlich zu stärken.

(Kein) Geld für die Desiderius-Erasmus-Stiftung

Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) hat beim Bundesinnenministerium (BMI) für das Haushaltsjahr 2026 einen Antrag auf staatliche Förderung in Millionenhöhe gestellt. Es spricht einiges dafür, dass er wegen des neuen Kriteriums der „Verfassungsfreundlichkeit“ gem. § 2 Abs. 4 und Abs. 5 StiftFinG erfolglos sein wird. Es bestehen allerdings erhebliche Bedenken, ob die Norm einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle standhält und insbesondere mit dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und dem Bestimmtheitsgebot vereinbar ist.

Wer ist eigentlich Verfassungsfeind?

In mehreren Bundesländern steht eine Reform der Verfassungsschutzgesetze an – und damit auch die Chance, die Definition der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ zu modernisieren. Statt an überholten Formulierungen aus den 1950er-Jahren festzuhalten, könnten die Legaldefinitionen enger an den Kernelementen Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ausgerichtet werden. Doch die Reformansätze der Länder gehen auseinander.

Schmutz und Würde

Mit der Entscheidung von Frauke Brosius-Gersdorf, für die Wahl als Richterin des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zur Verfügung zu stehen, endete eine politische Hängepartie für die schwarz-rote Koalition. Zugleich kulminierte auch eine teils sehr heftig und unfair geführte Debatte über die inhaltlichen Positionen und Qualifikationen von Frauke Brosius-Gersdorf. In einer Demokratie für ein öffentliches Amt zu kandidieren und sich damit einer Wahl zu stellen, ist immer eine Herausforderung und verdient per se genauso Respekt wie die Entscheidung, von einer solchen Kandidatur aus politischen Gründen zurückzutreten. Gleichzeitig wirft die Erklärung von Brosius-Gersdorf in drei Punkten Fragen auf.

Warum politisch denkende Verfassungsrichter kein Problem sind

Frauke Brosius-Gersdorf hat ihre Kandidatur für die Wahl zur Bundesverfassungsrichterin zurückgezogen. Die Debatte gibt Anlass, einmal deutlich zu machen, dass sich Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik in der Art ihrer Entscheidungsfindung unterscheiden, und gerade dieser Unterschied ein Gewinn für demokratisches Regieren ist. Denn es erhöht die Rationalität des Regierens, wenn politische Regelungen noch einmal aus verfassungsrechtlicher Perspektive geprüft werden. Betrachtet man dieses Potential der Verfassungsrechtsprechung, dann stellt sich heraus, dass die Bedenken gegen die Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf der Arbeitsweise des Verfassungsgerichtes nicht gerecht wurden.

Weigerung verweigert

Immer mehr Krankenhäuser sind wegen der Ökonomisierung gezwungen, mit anderen zu fusionieren. So fusioniert sowohl in Flensburg wie in Lippstadt ein evangelisches mit einem katholischen Haus. In beiden Fällen setzten sich die katholischen Träger durch und verankerten in den Gesellschaftsverträgen, dass in dem neuen Krankenhaus keine Schwangerschaftsabbrüche mehr angeboten werden dürfen. Doch gemischt-konfessionelle Krankenhäuser haben kein kollektives religiöses Recht, Schwangerschaftsabbrüche zu verweigern.