Articles for category: Deutschland

EGMR-Richterstelle zu besetzen. Jemand interessiert?

Das ist doch mal ein interessantes Jobangebot in diesen Zeiten: Die deutsche Richterstelle am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird frei. Renate Jaegers Amtszeit läuft am 31. 10. 2010 ab. Jetzt ruft das Bundesjustizministerium alle Interessierten auf, sich für den Posten zu bewerben. Sonst werden Richterposten dieser Art und Güte als Politikum behandelt und ihre Besetzung im Hinterzimmer ausgekartelt. Ist das jetzt nur ein Stück transparenzpolitisches Windowdressing oder steckt da möglicherweise tatsächlich die Absicht dahinter, daran was zu ändern? Ich kann’s nicht recht glauben. Aber schaden kann es nicht: Wer über das nach 21 EMRK nötige „hohe sittliche Ansehen“ und entweder ... continue reading

Epochales Urteil: Das Grundgesetz als Anti-Nazi-Verfassung

Der heutige Posthum-Beschluss des BVerfG zur Verfassungsbeschwerde des toten Nazi-Rechtsanwalts Jürgen Rieger wird in die Geschichte eingehen. Er reiht sich ein in die große Ahnenreihe KPD, Lüth, Deutschlandfernsehen, Spiegel. Ich verneige mich vor diesem Richterspruch. Was ist geschehen? Es geht um eine NPD-Demo in Wunsiedel, wo der „Stellvertreter des Führers“ Rudolf Hess begraben ist. Diese wurde verboten mit Verweis auf den neuen, 2005 erlassenen § 130 IV StGB: Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische ... continue reading

OLG Oldenburg pfeift auf Bundesverfassungsgericht

Manche Instanzrichter interessieren sich offenbar inzwischen einen feuchten Kehricht für die Ansagen des Bundesverfassungsgerichts. Selbst wenn es um einen so schwerwiegenden Vorwurf wie Richterwillkür geht: Sie zucken mit den Achseln und machen weiter wie zuvor. Vor einem knappen Jahr hat die 2. Kammer des Ersten Senats in drei Verfahren (1, 2 und 3) dem OLG Oldenburg seine Praxis bei der Streitwertfestsetzung in Ehescheidungssachen um die Ohren gehauen: Es hatte den Streitwert jeweils auf 2000 Euro festgesetzt, vollkommen wurscht, was die Eheleute verdienten. Hintergrund: In allen drei Fällen hatte einer der Partner Prozesskostenhilfe beantragt. Das heißt, ein hoher Streitwert führt zu ... continue reading

EuGH: Wehe dem Staat, dessen Oberste Richter die Verträge verletzen

Das könnte für uns relevant werden, wenn das BVerfG ernst macht mit seiner Drohung aus dem Lissabon-Urteil und EuGH-Urteile für verfassungswidrig erklärt: Ein solches Urteil wäre europarechtlich eine Vertragsverletzung. Und Deutschland würde es überhaupt nichts helfen, dass weder die Regierung noch sonst irgendjemand außer Karlsruhe selbst in der Lage wäre, diese Vertragsverletzung abzustellen. Die richterliche Unabhängigkeit ist kein Argument, wenn es um die Haftung für Vertragsverletzungen geht. Der EuGH hat heute festgestellt, dass dies auch bei höchstrichterlichen Urteilen gilt: 124 Enfin, le Royaume d’Espagne a invoqué la difficulté pour lui de remédier au manquement allégué par la Commission dès lors ... continue reading

Datenschutz-Beauftragte: Unabhängig genug, meint der Generalanwalt

Die Datenschutz-Kontrolle in Deutschland geht, was ihre Unabhängigkeit betrifft,  europarechtlich wohl in Ordnung. Der Generalanwalt beim EuGH Ján Mázak kommt in seinen heute veröffentlichten Schlussanträgen (Az.: C-518/07) zu dem Schluss, dass nach gegenwärtigem Stand der Erkenntnis es keinen Grund gibt zu glauben, dass die staatliche Aufsicht über die Kontrollstellen deren Unabhängigkeit beeinträchtigt. Das Gericht folgt bekanntlich den Schlussanträgen des Generalanwalts in den meisten Fällen. Deutschland war von der Kommission verklagt worden, weil die Datenschutzbeauftragten nicht institutionell unabhängig sind, sondern landesrechtlich der staatlichen Aufsicht unterstehen. In der maßgeblichen Richtlinie wird aber verlangt, dass sie in „völliger Unabhängigkeit“ ihrer Arbeit nachkommen sollen. ... continue reading

Europaparlament und Fünf-Prozent-Hürde

Auch bei den Europawahlen gibt es eine Fünf-Prozent-Hürde. Warum eigentlich? Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten: Die Hürde wird damit gerechtfertigt, dass das Parlament die Regierung wählt und eine stabile Regierungsmehrheit durch Splitterparteien im Parlament schwerer herzustellen wäre. In Europa gibt es dagegen so etwas wie eine „Regierungsmehrheit“ überhaupt nicht. Der Bestsellerautor und als Staatsverfallskassandra einschlägig bekannte Professor Hans-Herbert von Arnim hat neben einigen anderen gegen die Europawahl Einspruch eingelegt: Die Fünf-Prozent-Hürde sei verfassungswidrig und genüge den neuerdings viel strengeren Maßstäben des BVerfG an die Wahlrechtsgleichheit nicht mehr. Im Prinzip leuchtet mir auch nicht recht ein, was ... continue reading

Lässt der US Supreme Court Softwarepatenten die Luft ab?

Noch ein extrem spannender Fall, der heute vor dem US Supreme Court verhandelt wurde: Darf man sich jeden Blödsinn patentieren lassen oder hört der Spaß irgendwo auf? Es geht um Patente auf Geschäftsmethoden, nah verwandt den auch hierzulande so heiß umstrittenen Softwarepatenten. Die sind seit 1998 in den USA in breitem Umfang möglich: Man muss also nichts mehr erfunden haben, im Daniel-Düsentrieb-Sinne, um einen staatlich garantierten Schutz vor Copycats oder auch einfach nur ganz normaler Konkurrenz zu erhalten. Eine clevere Idee reicht vollauf. Über diese Entwicklung und die ersten Versuche, sie auch in der EU nachzuvollziehen, hab ich schon vor ... continue reading

Tschechiens Lissabon-Urteil

Drüben bei Adjudicating Europe gibt es das Urteil vom 3. November auszugsweise auf Englisch – hoch interessant! Die Kläger haben sich stark auf die Lissabon-Entscheidung unseres Zweiten Senats gestützt. Doch das Brünner Gericht hat den Karlsruher Kollegen eine Menge zu sagen. Da ist zum einen der Punkt, dass das Bundesverfassungsgericht Politikmaterien definiert, die nicht auf die europäische Ebene übertragen werden dürfen. Zitiert nach AE: It reminds that in its [Lisbon Treaty I judgment] the Constitutional Court stated that “these limits should be left primarily to the legislature to specify, because this is a priori a political question, which provides the ... continue reading

ACTA: Zugang zum Verhandlungstisch

Aus dem Fall ACTA kann man eine Menge lernen – über politische Entscheidungsfindung, aber auch über das Zusammenspiel von Politik und Medien. ACTA („Anti-Counterfeiting Trade Agreement“) ist ein internationales Handelsabkommen, über das derzeit in Korea verhandelt wird. Die Sache sorgt in mehrfacher Hinsicht für heftige Beunruhigung: Der Inhalt: Der Entwurf sieht offenbar vor, dass die Film- und Musikindustrie in ihrem Kampf gegen Raubkopierer einige veritable Vorschlaghämmer in die Hand bekommen soll. Es geht unter anderem um die umstrittene „Three-strikes-and-you’re-out“-Gesetzgebung, die in Frankreich neuerdings gilt, und um die Ermächtigung der Rechteinhaber, die Internet Service Provider direkt unter Druck zu setzen. Ich ... continue reading

Lissabon: This is not over yet…

Der Lissabon-Vertrag ist ratifiziert, lang genug hat’s gedauert und gestern abend haben vor Freude und Erleichterung sicher eine Menge Leute eine metaphorische oder reale Champagnerflasche leergemacht. Mit gutem Grund: Der Vertrag ist, wenngleich unperfekt, im Vergleich zum Status Quo verfassungspolitisch ein echter Fortschritt. Jetzt, so könnte man meinen, wird es leichter werden, den Euroskeptikern argumentativ entgegenzutreten. Europaparlament als gleichberechtigtes Legislativorgan, volle justizielle Kontrolle auch in der Innen- und Rechtspolitik, mehr Rechte für nationale Parlamente – das ist doch was. Ist das „Demokratiedefizit“ damit, wenn schon nicht verschwunden, so doch ein gutes Stück kleiner geworden? Das wird aber leider niemanden beeindrucken. ... continue reading