Articles for category: Deutschland

Frankreich: Internet-Sperren-Gesetz verfassungsgemäß

Frankreichs Conseil Constitutionel hat das umstrittene HADOPI-2-Gesetz für verfassungsgemäß erklärt. Damit kann Staatspräsident Sarkozy triumphieren: Seine Strafrechtsinnovation, bösen Internetpiraten kurzerhand den Zugang zum Netz zu sperren, wird Wirklichkeit. Den Vorgänger, HADOPI 1 genannt, hatte das Gericht im Juni kassiert. HADOPI steht für „Haute autorité pour la diffusion des œuvres et la protection des droits sur Internet“, also eine Art Internet-Urheberrechts-Superbehörde: Diese überwacht, ob jemand raubkopiert und filesharet, mahnt ihn gegebenenfalls ab, dann noch einmal und schließlich … schnips! wird der Schurke für maximal ein Jahr von der Internetkommunikation abgeschnitten. Die Union hatte in ihrem Wahlprogramm dergleichen auch für Deutschland sehr ... continue reading

Kuweits Verfassungsgerichtshof stärkt Frauenrechte

Hoho! Der guten Nachrichten aus den Verfassungsgerichten dieser Welt ist gar kein Ende heute: Der JURIST-Blog meldet ein Urteil aus Kuweit, wonach die Vorschrift, dass Frauen ohne Zustimmung ihres Mannes keinen Pass beantragen dürfen, verfassungswidrig ist. Artikel 2 der kuweitischen Verfassung besagt: The religion of the State is Islem, and the Islamic Sharia shall be a main source of legislation. Artikel 9 liest sich auch toll: The family is the corner-stone of Society. It is founded on religion, morality, and patriotism. Law shall preserve the integrity of the family, strengthen its ties, and protect under its support motherhood and childhood. ... continue reading

Riesentriumph im Kampf gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben

Das Bundesverfassungsgericht hat die Benachteiligung der Homo-Ehe bei der Hinterbliebenenrente im öffentlichen Dienst für verfassungswidrig erklärt. Nicht nur das: Nach den schlappen Kammerentscheidungen des Zweiten Senats 2007 und 2008, der ebenso schlappen Nicht-Entscheidung zur Stiefkindadoption und der superschlappen Entscheidung zur künstlichen Befruchtung hat der Erste Senat jetzt ein Grundsatzurteil zur Diskriminierung von Schwulen und Lesben gefällt, das im politischen und juristischen Resonanzraum noch lange nachhallen wird. Erstmals hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkannt, dass eine Ungleichbehandlung nach sexueller Orientierung ähnlich strengen Rechtfertigungskriterien unterliegt wie eine Diskriminierung nach Geschlecht, Rasse, Glauben und anderer in Art. 3 III GG explizit verbotener Kriterien. Wow. ... continue reading

Doppelpass als Menschenrecht?

Doppelte Staatsangehörigkeiten sind dem deutschen Staatsrechtler höchst suspekt: Wir erinnern uns an die Debatten anlässlich der rot-grünen Reform des Einbürgerungsrechts… Eine Zielrichtung im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht ist es, das Entstehen von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung nach Möglichkeit zu vermeiden, heißt es auf der Website des Bundesinnenministeriums. Peter Spiro von der Temple University ist anderer Ansicht: Er hält den Doppelpass sogar für ein Menschenrecht.

EGMR schützt den Humor, nicht die Bigotterie

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat normalerweise nicht viel zu lachen. Die Berliner Eltern beispielsweise, die ihren Kreuzzug gegen das Pflichtfach Ethik auch nach zwei verlorenen BVerfG-Verfahren noch nicht aufgeben wollten, scheinen mir nicht mit einem Übermaß an Humor gesegnet zu sein. Jetzt haben sie auch in Straßburg verloren, und ihr Töchterlein wird künftig mit Heiden, Muselmännern und anderen der Verdammnis Anheimgegebenen die Ethik-Schulbank drücken müssen. Zitat aus der Pressemitteilung: It was not possible to deduce from the Convention a right not to be exposed to convictions other than one’s own. Zwei andere heute entschiedene Fälle verdienen ... continue reading

Hartz IV: Da kommt was Fundamentales auf uns zu…

Ich war nicht bei der heutigen Verhandlung vor dem BVerfG in Karlsruhe, aber der Bericht der Kollegin Corinna Budras von der FAZ lässt den Schluss zu, dass der Erste Senat die Fundamente des Sozialstaats neu gießen will: Menschenwürde als Maßstab, Ermessensgrenzen des Gesetzgebers bei Gestaltung von Sozialleistungen – das klingt nicht, als stünde uns eine Musterentscheidung verfassungsrichterlicher Selbstbeschränkung ins Haus…

Nicaragua: Amtszeitbegrenzung für Präsident verfassungswidrig

Es gibt eine Menge Argumente, warum Amtszeitbegrenzungen gut für die Demokratie sind: Der Machthaber steht unter beständigem Druck, seine Anhänger zu bereichern; die Aussicht auf einen möglichen Machtverlust bedeutet für ihn und für seine Anhänger nicht nur das graue Los der Opposition, sondern juristische Verfolgung und Exil (je krimineller, desto mehr). Als Amtsinhaber hat er genügend Mittel in der Hand, Wahlen zu seinen Gunsten zu entscheiden. Nichts muss er mehr fürchten als in der Verfassung verankerte Amtszeitbegrenzungen. Im Niger kann man derzeit einen Präsidenten dabei beobachten, wie er im Ringen um eine dritte Amtszeit sein Land unverhohlen in eine Diktatur ... continue reading

Innen und Justiz: Auch in Brüssel zwei Paar Stiefel

In der nächsten EU-Kommission wird es je einen Kommissar für Inneres und einen für Justiz geben: “Most governments, if not all governments in Europe, have a minister for justice and a minister for interior or security and internal affairs, so that’s one of the reasons I decided to have instead of one commissioner in charge of all these matters to separate [them] in the new Commission,” Barroso told a press conference today. So schreibt EuropeanVoice. Wir erinnern uns an Clements Versuch in NRW Ende der 90er, das Innen- und das Justizressort zusammenzulegen. Das ging nicht gut aus, und zu Recht. Der ... continue reading

Verfassungswidriger Nobelpreis? oder: zu was Verfassungsrecht alles gut sein kann…

Okay, ich habe auch den Kopf geschüttelt, dass er den Friedensnobelpreis gekriegt hat. Aber so irre, dass er die Annahme des Preises verweigern sollte, fand ich die Entscheidung auch wieder nicht. Dass er ihn gar nicht annehmen darf, und zwar von Verfassungs wegen, darauf wäre ich echt im Traum nicht gekommen. Aber die Fantasie konservativer amerikanischer Verfassungsrechtler darf man nie unterschätzen, und deshalb ist dieser Text vielleicht auch gar nicht so überraschend, höchstens noch, dass die WashPost ihm Platz in ihren Seiten eingeräumt hat.