Articles for category: Deutschland

Das Ende einer Ära in Spanien

Baltazar Garzon ist einer der berühmtesten Juristen der Welt. Kaum eine zeithistorische Schurkengestalt, gegen die der Untersuchungsrichter aus Madrid noch nicht auf das Öffentlichkeitswirksamste ermittelt (oder zumindest Ermittlungen angekündigt) hat: Pinochet, Berlusconi, Kissinger, argentinische Folterknechte, ETA, you name it… Dass er das konnte, lag in vielen Fällen an der außerordentlich weit reichenden internationalen Zuständigkeitsregelung der spanischen Gerichtsbarkeit: Folter, Terrorismus und Kriegsverbrechen können in Spanien angeklagt und abgeurteilt werden, auch wenn überhaupt keine Spanier involviert sind. Das ist vorbei: Am Freitag hat das spanische Abgeordnetenhaus mit nur fünf Gegenstimmen ein Gesetz verabschiedet, das die Zuständigkeit der spanischen Justiz wieder auf Fälle ... continue reading

Neues zu “Neues aus Karlsruhe zum EU-Haftbefehl”

Irgendwie häuft es sich in letzter Zeit, dass das Bundesverfassungsgericht immer wieder die gleichen Fälle erneut auf den Tisch bekommt. Am 3. September hatte die 2. Kammer des Zweiten Senats einem Deutsch-Griechen zu seinem Recht verholfen, der in Griechenland wegen einer nach deutschem Recht verjährten Tat gesucht worden war. Anschließend hatten die Griechen einfach einen neuen Haftbefehl erlassen, und dann wenig später noch einen dritten – wegen ganz anderer Taten als beim ersten Mal. An Tatvorwürfen gegen den Mann scheint kein Mangel zu herrschen: Diesmal soll er dem griechischen Staat zur Olympiade 2004 ein Sicherheitssystem verkauft haben, das er von ... continue reading

Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig (in Rumänien)

Das rumänische Verfassungsgericht hat laut Heise die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt. Wie die Richter dabei mit der dazugehörigen EG-Richtlinie umgegangen sind, geht weder aus dem Bericht noch aus der zugrundeliegenden Agenturmeldung hervor. Das wäre ja mal ganz interessant… Eine Originalquelle ist nirgends zu finden (kann eh kein rumänisch). Die Website des Verfassungsgerichts zeigt dagegen eindrucksvoll, zu welch lausiger Pressearbeit Verfassungsgerichte anderenorts fähig sind. Dafür ist der Senatssaal ziemlich klasse:

Wegelagernde Sheriffs

Wenn sich die öffentlichen Kassen leeren, muss sich der Staat nach neuen Einnahmequellen umsehen. Über eine besonders unkonventionelle Methode berichtet der ACLU Blog: Die Polizei in Tenaha/Texas steht im Verdacht, willkürlich Schwarze und Latinos angehalten und ihre Autos nach Bargeld durchsucht zu haben. Wurden sie fündig, boten sie den Autofahrern ein Geschäft an: Entweder wird das Geld der Stadt überschrieben, oder es gibt ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche und allerhand mehr. Schön, nicht? Ein Schulfall für alle, die nach drastischen Erfahrungsbeispielen über die Gefahr konturloser Straftatbestände suchen. Aber es wird noch besser: Der verantwortliche District Attorney muss sich jetzt vor Gericht ... continue reading

“So schnell schächtet hier bei uns in Hessen keiner…”

Vor sieben Jahren hat das BVerfG einem muslimischem Metzger zu seinem Recht verholfen, der sich gegen das Schächtverbot gewandt hatte. Davon scheint der Mann aber bislang nicht viel gehabt zu haben: Jetzt musste das Gericht erneut einschreiten. Der hessische Verwaltungsgerichtshof scheint da eine ziemlich skandalöse Nummer geschoben zu haben. PM dazu hier, Entscheidung hier. Ist das eine Görgülü-Konstellation? Sind da Richter am Werk, die sagen, Karlsruhe ist weit weg und die können mich mal?

Richterwahlen sind Politik

Zuerst einmal: Der britische Supreme Court, formerly known as House of Lords, hat gestern seine Arbeit aufgenommen. Herzlichen Glückwunsch und Willkommen! Der Grund für die Reform – sie geht noch auf Tony Blair zurück – waren Zweifel an der Gewaltenteilung: Einen Ausschuss des Gesetzgebungsorgans House of Lords (wenn auch mit professionellen und meist eigens geadelten Richtern besetzt) als Spitze der Gerichtsbarkeit zu installieren, schien unzeitgemäß und obendrein in hohem Maße intransparent. Apropos intransparent: Künftig wird wohl auch bei der Benennung der Richter genauer hingeguckt. Das erwartet zumindest Lord Philips, der Präsident des Supreme Court. Die Times zitiert ihn mit den ... continue reading

Das grausige Schicksal der Staatenlosigkeit

Staatenlos – das klingt wie ein Anachronismus, wie tiefstes 20. Jahrhundert, das klingt nach Nansen-Pass und Schwarzweißfilmdrama. Der Fall Rottmann, anhängig vor dem EuGH und gestern von Generalanwalt Maduro im Schlussantrag begutachtet, hat etwas zutiefst Gruseliges in diesen Zeiten nationaletatistischer Reaktion. Im Kern sagt Maduro: Jawoll, es kann einem EU-Bürger passieren, dass er plötzlich ohne Staatsangehörigkeit dasteht. Die EU-Bürgerschaft schützt ihn nicht davor. Der Österreicher Janko Rottmann hatte in München die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt und dabei verschwiegen, dass er daheim in Graz wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges gesucht wurde. Das blieb den bayerischen Behörden aber nicht lange verborgen, und so entzogen ... continue reading

Bespitzelungs-Affäre, my ass…

Ich mag ja den Rüttgers auch nicht besonders. Aber die so genannte „Video-Affäre“, tut mir leid, die scheint mir von vorn bis hinten eine totale Nullnummer zu sein. Hab ich das richtig verstanden? Rüttgers stand blamiert da nach seiner von Jusos gefilmten und auf Youtube gestellten Rumänen-Beschimpf-Nummer. Seine Leute fanden es eine gute Idee, eine Retourkutsche zu versuchen und SPD-Landeschefin Hannelore Kraft bei ihren Wahlkampfauftritten ebenfalls zu filmen. Die SPD jammert scheinheilig über die „Bespitzelung“ (als ob Gegnerbeobachtung nicht seit Jahrzehnten das aller stinknormalste Wahlkampf-Uralt-Tool der abendländischen Zivilisation wäre…). Rüttgers‘ Büroleiter Berger schickt der CDU-Landeszentrale harsche Anweisungen per E-Mail vom ... continue reading

Kann ein Plebiszit verfassungswidrig sein?

Die Antwort scheint ganz einfach: Klar kann es. Nach deutschem Verfassungsdenken ist ein per Volksabstimmung in Kraft gesetztes Gesetz auch nur ein Gesetz und hat sich am Maßstab der Verfassung messen zu lassen. Anderenorts ist das keineswegs so selbstverständlich. Die Antwort scheint ganz einfach: Klar kann es. Nach deutschem Verfassungsdenken ist ein per Volksabstimmung in Kraft gesetztes Gesetz auch nur ein Gesetz und hat sich am Maßstab der Verfassung messen zu lassen. Anderenorts ist das keineswegs so selbstverständlich.

An Deutschland wird Lissabon nicht mehr scheitern

Das ging schnell, und das Ergebnis ist erfreulich eindeutig: Das BVerfG hat den vorerst letzten Versuch, den Lissabon-Vertrag doch noch zum Platzen zu bringen, im Ansatz gestoppt. Die 2. Kammer des Zweiten Senats – Besetzung: Broß (!), Di Fabio (!!), Landau (!!!) – hat die Verfassungsbeschwerde gegen die Begleitgesetze nicht zur Entscheidung angenommen. Und Köhler hat heute unterschrieben. Ein Ende macht die Kammer auch der Murswiek-Saga, dass das Lissabon-Urteil eine Ratifikation des Vertrags nur unter völkerrechtlichem Vorbehalt zulasse: Dafür sei überhaupt keine Notwendigkeit erkennbar, so die Kammer knapp und kühl. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 entschieden, ... continue reading