Articles for category: Deutschland

Parlamentskultur und Bundesverfassungsrichterwahl

Die Wahl neuer Richterinnen und Richter an das Bundesverfassungsgericht sorgt für politisches Störfeuer – trotz fachlich überzeugender Vorschläge. Statt juristischer Expertise dominieren moralische Reflexe und parteipolitisches Kalkül. Die Plenumsentscheidung stellt aber hohe Anforderungen an die Parlamentskultur: Die aktuellen Entwicklungen drohen, das Vertrauen in das demokratische Verfahren der Richterwahl nachhaltig zu schädigen.

Zementierte Privilegien

Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluss vom 25. Juni 2025 entschieden, dass die Pflicht zur Abgabe einer Anschlusszusage bei promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen gegen Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verstößt. Der Beschluss macht einmal mehr deutlich, dass in Deutschland die Wissenschaftsfreiheit allein aus der Perspektive der Professor*innen betrachtet wird.

Kein SLAPP-Back

„SLAPP“ („strategic lawsuits against public participation“) meint Konstellationen, in denen gerichtliche Verfahren als Druckmittel genutzt werden, um Personen zum Schweigen zu bringen – eine Strategie, die sich in den letzten Jahren nicht zuletzt in rechten Kreisen steigender Beliebtheit erfreut. Letztes Jahr erließ die EU eine Anti-SLAPP-Richtlinie. Das Justizministerium hat für deren Umsetzung nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der allerdings keine allzu großen Auswirkungen haben dürfte. Das liegt einerseits an den Maßnahmen, die er den SLAPPs entgegenstellt – andererseits aber auch daran, dass diese missbräuchlichen Klagen schwer zu fassen sind.

Parteiverbot gleich Mandatsverlust?

Mit den jüngsten Beschlüssen des SPD-Bundesparteitags zur Vorbereitung eines AfD-Parteiverbotsverfahrens hat die Debatte erneut an Dynamik gewonnen. Dabei rückt auch die Frage in den Fokus, was mit den Mandaten der AfD-Abgeordneten im Europäischen Parlament, im Bundestag und in den Landtagen im Falle eines Parteiverbots geschehen würde. Was nach deutschem Recht eindeutig scheint, wirft im Lichte des Völkerrechts und insbesondere der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bisher nur selten beachtete Fragen auf.

Die Würde der Schwangeren ist unantastbar

Nachdem in der letzten Legislatur die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs gescheitert war, könnte die Debatte nun wieder Auftrieb bekommen: Vor wenigen Wochen hat der Deutsche Ärztetag eine Entkriminalisierung gefordert, und auch das britische Unterhaus stimmte endlich dafür. Der aktuelle Koalitionsvertrag sieht dazu zwar konkret nichts vor. Doch der deutsche Gesetzgeber ist verpflichtet, den Schwangerschaftsabbruch neu zu regeln, weil er die Würde von Schwangeren zu achten hat – und es sich dabei um eine absolute Achtungspflicht handelt.

Remonstration an der Grenze

Da Innenminister Dobrindt trotz der Entscheidung des VG Berlin weiter Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen durchführen lässt, könnte nunmehr ein Institut des Dienstrechts relevant werden, das lange ein „Schattendasein“ fristete: die Remonstration. Dabei geht es hier insbesondere um die Frage, ob Bundespolizist:innen verpflichtet sind, hinsichtlich der Zurückweisungen zu remonstrieren (§ 63 Abs. 2 S. 1 BBG). Die Rechtsprechung von BVerfG und BGH spricht indes eher gegen diese Pflicht. Ein Recht zur Remonstration besteht aufgrund der Zweifel an der Rechtmäßigkeit der aktuellen Praxis indes bereits jetzt.

Die weiten Flügel der Demokratie

Die Welt des Non-Profit-Sektors wurde vor ein paar Tagen durch ein mittleres Erdbeben erschüttert. Medienwirksam kündigte die Petitionsplattform innn.it (ehemals Change.org) an, auf ihre Gemeinnützigkeit zu verzichten, und zwar in Reaktion auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs. Mit den BFH-Vorgaben zur Neutralität könne man eine „Petitionsplattform mit Haltung“ nicht gemeinnützig betreiben. Nun liegen die Urteilsgründe vor: Ist der BFH in seinen Anforderungen an die Gemeinnützigkeit zu weit gegangen? Oder war es die Petitionsplattform innn.it, die eine Grenze überschritten hat?

Reform ohne Wirkung

Im vergangenen Monat hat die Kommission einen Reformvorschlag zur DSGVO vorgelegt. Konkret soll Art. 30 DSGVO angepasst werden, der Datenverarbeiter verpflichtet ein sog. „Verarbeitungsverzeichnis“ zu führen. Bisher galt für Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten eine Ausnahme. Künftig soll diese Grenze auf 750 Mitarbeiter angehobenen werden. Doch der Vorschlag polarisiert.