Kündigung der Vielfalt – ohne Diskussion
Wie Deutschlands Medienlandschaft besser vor rechtspopulistischen oder rechtsradikalen Ministerpräsidenten(innen) geschützt werden könnte.
Wie Deutschlands Medienlandschaft besser vor rechtspopulistischen oder rechtsradikalen Ministerpräsidenten(innen) geschützt werden könnte.
How to Safeguard Germany's Free and Pluralistic Media .
Die Enthüllungen des Recherchezentrums CORRECTIV zum „Geheimplan gegen Deutschland“, einem Treffen von Rechtsextremen und AfD-Politikern in Potsdam, lösten eine neue Dynamik in der Diskussion um den richtigen Umgang mit der AfD aus. Die ehemalige Verfassungsrichterin Lübbe-Wolff wies schon im Oktober 2023 in einem Beitrag auf dem Verfassungsblog auf eine zuvor wenig beachtete Möglichkeit hin: die Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 GG. Die Auswirkungen eines erfolgreichen Verwirkungsverfahrens dürften jedoch überschätzt, die Risiken hingegen unterschätzt werden.
Dass Art. 18 GG die Verwirkung von Grundrechten ermöglicht, hat lange selbst in der Wahrnehmung vieler Juristen kaum eine Rolle gespielt. Im Studium wird die Vorschrift bestenfalls als Element der wehrhaften Demokratie mit im Wesentlichen symbolischer Bedeutung erwähnt. Seit kurzer Zeit scheint ein Verwirkungsverfahren vielen aber ein taugliches Mittel zu sein, um das (weitere) Erstarken der AfD zu verhindern. Gefordert wird – sogar per Petition – ein entsprechender Antrag gegen den thüringischen AfD-Vorsitzenden Höcke. Bei genauerer Prüfung erweist sich diese Idee als nicht hinreichend durchdacht.
Wie Thüringens Polizei und Verfassungsschutz besser vor einer autoritären Regierung geschützt werden könnten
How to protect Thuringia's police and office for the protection of the constitution from an authoritarian-populist takeover
Der Thüringer Landtag hat mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD am 8.12.2023 erneut eine Waldrechtsänderung beschlossen, um den Ausbau der Windenergienutzung im Wald zu beschränken. Der Landesgesetzgeber läuft damit Gefahr, die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Beschluss vom 27.9.2022 zu unterlaufen. Darin hat das BVerfG das pauschale Verbot von Windenergieanlagen im Wald im Zuge der dritten Änderung des Thüringer Waldgesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 2020 für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Dem Land fehlte insoweit schlicht die Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht. Auch beim neuen Versuch dürfte dem Landtag die Gesetzgebungsbefugnis fehlen, auch wenn sich die rechtliche Lage inzwischen etwas komplizierter darstellt.
Zurzeit diskutiert Thüringen mal wieder intensiv über die Ministerpräsidentenwahl, genauer den dritten Wahlgang. Georg Maier (SPD), Innenminister in Thüringen, will die Verfassung seines Bundeslandes ändern, denn er will ausschließen, dass nach der nächsten Landtagswahl ein*e Ministerpräsident*in ins Amt kommt, der*die im dritten Wahlgang nur eine einzige Stimme erhalten hat, während alle anderen Abgeordneten gegen ihn oder sie votiert haben. Bodo Ramelow (Die Linke), Thüringens Ministerpräsident, hält eine solche Verfassungsänderung für „völlig überflüssig“.
In ihrem Grundsatzprogramm plädiert die AfD für eine „zeitgemäße Medienpolitik“. Auf seiner Parteitagsrede im November gab Björn Höcke persönlich Einblick in die medienpolitischen Pläne der Partei: „Was passiert denn, wenn Höcke dann Ministerpräsident wird? Kündigt er denn die Medien-Staatsverträge? Ja, das macht der Höcke dann, ja!“ Doch was dann? Ein wichtiger Aspekt einer „zeitgemäßen Medienpolitik“ wäre der Aufbau eines eigenen AfD-Parteisenders. Der wäre zwar mit § 53 Abs. 3 MStV unvereinbar, jedoch bieten sich die nach dem geltenden Thüringer Landesmediengesetz zulässigen sogenannten Bürgermedien als missbrauchsanfällige Alternative an.
Im Juni 2024 stehen in acht Bundesländern Kommunalwahlen an, die viele Personen in kommunale Ämter spülen dürften, deren Verfassungstreue zweifelhaft ist. Der Umgang damit stellt eine wehrhafte Verfassungsordnung vor größte Herausforderungen. Das Thüringer Innenministerium adressiert diese Schwierigkeiten nun auch in einem Handlungsleitfaden, den es Anfang November an das Landesverwaltungsamt und die zuständigen Wahlausschüsse verschickt hat und der die Prüfkriterien der Rechtsprechung aufbereitet. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, ob nicht nur für das Beamtenrecht mit der „Causa Sesselmann“ ein problematischer Präzedenzfall geschaffen worden ist.