Articles for category: BVerfG

Monströse Fürsorge

Oh, Bundesverfassungsgericht, ich meckere viel herum an Dir, ich weiß. Aber wenn ich Entscheidungen wie diese lese, dann bin ich dermaßen froh, dass es Dich gibt! In dem Fall geht es um ein zwölfjähriges Mädchen. Sie lebt bei ihrem Vater, es geht ihr offenbar gut, sie ist gut versorgt, das Verhältnis zu ihrem Vater ist liebevoll. Sie selbst will mit allem Nachdruck bei ihm bleiben. Nun gibt es aber offenbar eine gerichtlich bestellte Sachverständige, die das Mädchen um jeden Preis ins Heim stecken will. Zu wenig Erziehung Der Grund: Es bedeute für das Kind eine Gefährdung seiner Entwicklung (…), wenn ... continue reading

Karlsruhe gegen Komasaufen

Jugendliche mit Alkoholvergiftung sind eine üble Sache, und ein großes Boulevard-Thema obendrein, und das ist wohl der Grund, warum es dem Bundesverfassungsgericht jetzt schon zum zweiten Mal in diesem Jahr eine Pressemitteilung wert ist, dass das baden-württembergische Verbot des nächtlichen Alkoholverkaufs nicht verfassungswidrig ist. In Baden-Württemberg darf von 22 bis 5 Uhr in Läden kein Alkohol verkauft werden. Im Juli war der Kläger ein trinkfester Kunde, der seine allgemeine Handlungsfreiheit durch das Verbot beschnitten sah. Jetzt geht es um die Berufsfreiheit einer Tankstellenpächterin. Die hat auch kein Glück, aber zur Begründung des Nichtannahmebeschlusses holt die 2. Kammer des Ersten Senats ... continue reading

BVerfG: Missbrauchsgebühr gegen psychisch Kranke?

Das Bundesverfassungsgericht kriegt eine Menge Post. Ich erinnere mich noch: Als wir 1998 unsere Ausstellung zu 50 Jahre Grundgesetz vorbereiteten, zeigten uns Jutta Limbach und ihre damalige Pressesprecherin Uta Fölster die Unmengen von Briefen, in denen die so genannten „einfachen Leute“ ihre Sorgen und Nöte dem Bundesverfassungsgericht schilderten, teilweise unter der Zeile „liebes Bundesverfassungsgericht“, mit Füller von zittriger Hand auf kariertes Papier geschrieben. Es gibt für diese Art von Zuschriften ein eigenes Aktenzeichen, ich habe leider vergessen welches. Wir hatten ein paar davon in die Ausstellung als Exponate aufgenommen. Weil sie so schön zeigen, welches Vertrauen das Bundesverfassungsgericht in der ... continue reading

Vier Jahre Sozialgerichtsstreit ist zu lang

Aus Karlsruhe eine neue Kammerentscheidung zur überlangen Verfahrensdauer – passend zum aktuellen Gesetzgebungsverfahren: Einen Kläger über Jahre auf seine mündliche Verhandlung warten zu lassen, von deren Ausgang sein Krankenversicherungsstatus abhängt, einfach nur, weil sonst so furchtbar viel zu tun ist – das geht nicht. Schon gar nicht, wenn das offenbar System hat: (…) die betroffene Kammer schiebt offenbar schon über Jahre hin einen Verfahrensberg vor sich her mit der Folge, dass ein Verfahren durchschnittlich nach etwa vier Jahren zur Verhandlung kommt, wie sich etwa der Sachstandsmitteilung des Gerichts vom 25. September 2008 entnehmen lässt, wonach im September 2008 Klagen aus ... continue reading

Karlsruhe lädt Sarrazin zum Klagen ein

Heute hat der Bannstrahl aus Karlsruhe eine Institution getroffen, der meine ganze Sympathie gehört: die gute brave Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) nämlich. Die mit den schönen schwarzen Heftchen. Die mit den tollen Büchern in scheußlichen Pappeinbänden zum Abholerpreis. Die mit dem fantastischen Wahl-o-mat. Die BpB lässt im Bertelsmann-Verlag die Zeitschrift Deutschland-Archiv erscheinen, eins der wichtigsten Organe für zeithistorische Forschung zu deutsch-deutschen Themen. Diese Zeitschrift brachte 2004 einen Aufsatz des Politikwissenschaftlers Konrad Löw mit dem Titel „Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte“. Den Artikel findet man hier. Ich habe ihn durchgelesen, was mir nicht leichtgefallen ist. Ich hatte die ganze ... continue reading

Eigentumsschutz für „digitale Vorlagen“

Richterliche Zurückhaltung ist eine Zier. Sie zeugt von Respekt vor dem demokratisch gewählten Gesetzgeber und umsichtiger Kenntnis der eigenen, prekär legitimierten politischen Macht. Sie ist das Gegengewicht zu der Befugnis der Justiz, die Entscheidungen des Gesetzgebers nötigenfalls zu korrigieren. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht dafür bekannt, in dieser Hinsicht besonders zimperlich zu sein. Neu ist aber, dass es jetzt auch andere oberste Bundesgerichte in bemerkenswert schroffem Ton auffordert, es ihm gleichzutun. Der heute veröffentlichte Kammerbeschluss zur urheberrechtlichen Geräteabgabe haut dem I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seine Rechtsprechung zur so genannten Geräteabgabe mit einer Brutalität um die Ohren, die ihresgleichen sucht. Dessen viel ... continue reading

Beitragszahler scheitern mit Klage gegen Eingliederungsbeitrag

Das war wohl nichts. Der Griff des Fiskus in die Kasse der Bundesagentur für Arbeit, um Eingliederungsmaßnahmen für eigentlich aus der Fürsorge der BA längst herausgelöste Hartz-IV-Empfänger zu finanzieren, bleibt einstweilen verfassungsgerichtlich unüberprüft. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden mehrerer Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegen den Eingliederungsbeitrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Verfassungsbeschwerden aus dem Hause Busse & Miessen scheinen, wenn man die Entscheidung liest, ziemlich hanebüchen begründet gewesen zu sein. Bekanntlich kann man nur dann in Karlsruhe gegen ein Gesetz zu Felde ziehen, wenn es einen selbst, unmittelbar und gegenwärtig in seinen Grundrechten verletzt. Und das tut eine Norm, die die BA ... continue reading

Der Krieg der Richter findet nicht statt

Die Meuterei der nationalen Verfassungshüter gegen die Europäisierung des Rechts und ihre damit einhergehende eigene Relativierung ist vorbei. Die Rebellen aus Karlsruhe kehren reumütig zurück unter die blaue Fahne mit dem goldenen Sternenkreis. Frieden kehrt ein in Europa. Verzeihung, aber da darf man schon mal pathetisch werden bei so einer Nachricht. Ich kann gar nicht sagen, wie mich die heute veröffentlichte Honeywell-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts freut und erleichtert. Mangold, Lissabon, Kücükdeveci Zur Vorgeschichte: Der EuGH hatte 2005 das berüchtigte Mangold-Urteil gefällt und darin die Behauptung aufgestellt, Altersdiskriminierung sei in der EU schon immer verboten, als „allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts“, und nicht ... continue reading

Karlsruhe flüstert ein Beschlüsschen zur Sicherungsverwahrung

Normalerweise hängt die Latte, ab wann eine Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht eine Pressemitteilung wert ist, ziemlich niedrig. Wenn die Pressestelle mal untätig bleibt, dann handelt es sich zumeist um kursorische Nichtannahmebeschlüsse, die keinen Menschen interessieren. Die heute veröffentlichte Kammerentscheidung, einem Kinderschänder zu einer erneuten Überprüfung seiner Sicherungsverwahrung zu verhelfen, dürfte angesichts der Aktualität des Themas durchaus ein paar Leute interessieren. Der Mann war 1997 wegen Missbrauchs von Kindern in 11 Fällen zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Als er die Strafe verbüßt hatte, holte die Strafvollstreckungskammer des OLG Koblenz 2001 ein externes Sachverständigengutachten ein, das ergab, dass der Täter von seiner ... continue reading

Karlsruhe beendet Diskriminierung der Homo-Ehe bei der Erbschaftsteuer

Wenn der eine Ehepartner stirbt und der andere erbt, dann muss sich der Fiskus bei der Besteuerung Zurückhaltung auferlegen. Und das gilt nicht nur für die Ehe, die dem Papst Freude macht, sondern auch für die Homo-Ehe. Die gibt es seit 2001, und man darf sie nicht einfach ohne jeden sachlichen Grund diskriminieren: Der gleichgeschlechtliche Ehegatte ist dem Verstorbenen im Zweifel genauso nahegestanden, hat Anteil am Aufbau des vererbten Vermögens gehabt, hat für den Verstorbenen Verantwortung übernommen und ist für diese Verantwortung rechtlich eingestanden wie der verschiedengeschlechtliche Ehegatte auch. Also kann man nicht diesem einen großen Freibetrag bei der Erbschaftsteuer ... continue reading