Articles for category: Gerichte

Riesentriumph im Kampf gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben

Das Bundesverfassungsgericht hat die Benachteiligung der Homo-Ehe bei der Hinterbliebenenrente im öffentlichen Dienst für verfassungswidrig erklärt. Nicht nur das: Nach den schlappen Kammerentscheidungen des Zweiten Senats 2007 und 2008, der ebenso schlappen Nicht-Entscheidung zur Stiefkindadoption und der superschlappen Entscheidung zur künstlichen Befruchtung hat der Erste Senat jetzt ein Grundsatzurteil zur Diskriminierung von Schwulen und Lesben gefällt, das im politischen und juristischen Resonanzraum noch lange nachhallen wird. Erstmals hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkannt, dass eine Ungleichbehandlung nach sexueller Orientierung ähnlich strengen Rechtfertigungskriterien unterliegt wie eine Diskriminierung nach Geschlecht, Rasse, Glauben und anderer in Art. 3 III GG explizit verbotener Kriterien. Wow. ... continue reading

Joseph Weiler zum Lissabon-Urteil: milde und voller Verachtung

Vor 15 Jahren, als der Zweite Senat sein Urteil über den Maastricht-Vertrag fällte, gehörte Joseph H. H. Weiler zu den schärfsten Kritikern: Damals schreckte er nicht davor zurück, Kirchhof und Kollegen mit ihrer dubiosen Doktrin vom „homogenen Staatsvolk“ in die Nähe ethnischer Säuberungen zu rücken. Kirchhof und Böckenförde als Karadzic und Mladic von Karlsruhe – das war starker Tobak. Jetzt, nach dem Lissabon-Urteil, scheint Professor Weiler die Dinge deutlich milder zu betrachten. Das dürfte damit zusammenhängen, dass die Homogenitäts-Doktrin diesmal gottlob keine Rolle mehr spielt. Aber auch integrationspolitisch gibt sich Weiler in seinem Editorial zum jüngsten Heft des European Journal ... continue reading

EGMR schützt den Humor, nicht die Bigotterie

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat normalerweise nicht viel zu lachen. Die Berliner Eltern beispielsweise, die ihren Kreuzzug gegen das Pflichtfach Ethik auch nach zwei verlorenen BVerfG-Verfahren noch nicht aufgeben wollten, scheinen mir nicht mit einem Übermaß an Humor gesegnet zu sein. Jetzt haben sie auch in Straßburg verloren, und ihr Töchterlein wird künftig mit Heiden, Muselmännern und anderen der Verdammnis Anheimgegebenen die Ethik-Schulbank drücken müssen. Zitat aus der Pressemitteilung: It was not possible to deduce from the Convention a right not to be exposed to convictions other than one’s own. Zwei andere heute entschiedene Fälle verdienen ... continue reading

Hartz IV: Da kommt was Fundamentales auf uns zu…

Ich war nicht bei der heutigen Verhandlung vor dem BVerfG in Karlsruhe, aber der Bericht der Kollegin Corinna Budras von der FAZ lässt den Schluss zu, dass der Erste Senat die Fundamente des Sozialstaats neu gießen will: Menschenwürde als Maßstab, Ermessensgrenzen des Gesetzgebers bei Gestaltung von Sozialleistungen – das klingt nicht, als stünde uns eine Musterentscheidung verfassungsrichterlicher Selbstbeschränkung ins Haus…

Innen und Justiz: Auch in Brüssel zwei Paar Stiefel

In der nächsten EU-Kommission wird es je einen Kommissar für Inneres und einen für Justiz geben: “Most governments, if not all governments in Europe, have a minister for justice and a minister for interior or security and internal affairs, so that’s one of the reasons I decided to have instead of one commissioner in charge of all these matters to separate [them] in the new Commission,” Barroso told a press conference today. So schreibt EuropeanVoice. Wir erinnern uns an Clements Versuch in NRW Ende der 90er, das Innen- und das Justizressort zusammenzulegen. Das ging nicht gut aus, und zu Recht. Der ... continue reading

Europäische Verfassungsgrundsätze

Allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts haben die Qualität europäischen Verfassungsrechts. Das hatte man sich denken können, aber so klar hat der EuGH dies noch nie gesagt wie jetzt im Fall Audiolux (C-101/08): Dabei ging es um die Frage, ob die Aktionärsgleichheit als ein solcher Grundsatz gelten kann. Kann er nicht, so der EuGH: Ein Grundsatz, wie er von Audiolux geltend gemacht wird, setzt gesetzgeberische Entscheidungen voraus, die auf der Abwägung der in Rede stehenden Interessen und im Vorhinein festgelegten klaren und detaillierten Regeln beruhen (…)   Die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts haben nämlich Verfassungsrang, während der von Audiolux geltend gemachte Grundsatz ... continue reading

Neues zu “Neues aus Karlsruhe zum EU-Haftbefehl”

Irgendwie häuft es sich in letzter Zeit, dass das Bundesverfassungsgericht immer wieder die gleichen Fälle erneut auf den Tisch bekommt. Am 3. September hatte die 2. Kammer des Zweiten Senats einem Deutsch-Griechen zu seinem Recht verholfen, der in Griechenland wegen einer nach deutschem Recht verjährten Tat gesucht worden war. Anschließend hatten die Griechen einfach einen neuen Haftbefehl erlassen, und dann wenig später noch einen dritten – wegen ganz anderer Taten als beim ersten Mal. An Tatvorwürfen gegen den Mann scheint kein Mangel zu herrschen: Diesmal soll er dem griechischen Staat zur Olympiade 2004 ein Sicherheitssystem verkauft haben, das er von ... continue reading

Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig (in Rumänien)

Das rumänische Verfassungsgericht hat laut Heise die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt. Wie die Richter dabei mit der dazugehörigen EG-Richtlinie umgegangen sind, geht weder aus dem Bericht noch aus der zugrundeliegenden Agenturmeldung hervor. Das wäre ja mal ganz interessant… Eine Originalquelle ist nirgends zu finden (kann eh kein rumänisch). Die Website des Verfassungsgerichts zeigt dagegen eindrucksvoll, zu welch lausiger Pressearbeit Verfassungsgerichte anderenorts fähig sind. Dafür ist der Senatssaal ziemlich klasse:

“So schnell schächtet hier bei uns in Hessen keiner…”

Vor sieben Jahren hat das BVerfG einem muslimischem Metzger zu seinem Recht verholfen, der sich gegen das Schächtverbot gewandt hatte. Davon scheint der Mann aber bislang nicht viel gehabt zu haben: Jetzt musste das Gericht erneut einschreiten. Der hessische Verwaltungsgerichtshof scheint da eine ziemlich skandalöse Nummer geschoben zu haben. PM dazu hier, Entscheidung hier. Ist das eine Görgülü-Konstellation? Sind da Richter am Werk, die sagen, Karlsruhe ist weit weg und die können mich mal?

Das grausige Schicksal der Staatenlosigkeit

Staatenlos – das klingt wie ein Anachronismus, wie tiefstes 20. Jahrhundert, das klingt nach Nansen-Pass und Schwarzweißfilmdrama. Der Fall Rottmann, anhängig vor dem EuGH und gestern von Generalanwalt Maduro im Schlussantrag begutachtet, hat etwas zutiefst Gruseliges in diesen Zeiten nationaletatistischer Reaktion. Im Kern sagt Maduro: Jawoll, es kann einem EU-Bürger passieren, dass er plötzlich ohne Staatsangehörigkeit dasteht. Die EU-Bürgerschaft schützt ihn nicht davor. Der Österreicher Janko Rottmann hatte in München die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt und dabei verschwiegen, dass er daheim in Graz wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges gesucht wurde. Das blieb den bayerischen Behörden aber nicht lange verborgen, und so entzogen ... continue reading