Articles for category: Gerichte

An Deutschland wird Lissabon nicht mehr scheitern

Das ging schnell, und das Ergebnis ist erfreulich eindeutig: Das BVerfG hat den vorerst letzten Versuch, den Lissabon-Vertrag doch noch zum Platzen zu bringen, im Ansatz gestoppt. Die 2. Kammer des Zweiten Senats – Besetzung: Broß (!), Di Fabio (!!), Landau (!!!) – hat die Verfassungsbeschwerde gegen die Begleitgesetze nicht zur Entscheidung angenommen. Und Köhler hat heute unterschrieben. Ein Ende macht die Kammer auch der Murswiek-Saga, dass das Lissabon-Urteil eine Ratifikation des Vertrags nur unter völkerrechtlichem Vorbehalt zulasse: Dafür sei überhaupt keine Notwendigkeit erkennbar, so die Kammer knapp und kühl. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 entschieden, ... continue reading

US-Repräsentantenhaus: Von wegen one man, one vote

Das BVerfG hat im Lissabon-Urteil – wir erinnern uns – dem Europäischen Parlament den Bescheid ausgestellt, gar kein richtiges Parlament zu sein: weil in Malta viel weniger Wähler nötig sind, um einen Abgeordneten nach Brüssel zu schicken, als in Deutschland. Was gegen „one man, one vote“ verstoße. Derartig ausgeprägte Ungleichgewichte werden in föderalen Staaten regelmäßig nur für die zweite Kammer neben dem Parlament – in Deutschland und Österreich entspricht dieser zweiten Kammer der Bundesrat, in Australien, Belgien und den Vereinigten Staaten von Amerika der Senat – toleriert. Sie werden aber nicht in der Volksvertretung selbst hingenommen, weil diese sonst das Volk nicht ... continue reading

Torie gesteht: das Europäische Parlament hat Power

Boris Johnson, der Londoner Torie-Bürgermeister, ist ein wilder Typ und schreibt auch für einen Ex-Journalisten bemerkenswert gut – schon deshalb ist sein Stück im „Telegraph“ über das Europäische Parlament ein großer Spaß. Vor allem aber gefällt mir, dass er einräumt, dass das EP mit der traurigen Scheinparlamentarismusveranstaltung von einst nichts mehr zu tun hat: In my time the Euro-parliament was an amiable backwater, the mother-in-law of parliaments, a herbivorous habitat of oddballs, schreibt er. The agenda broadly consisted of having lunches in Strasbourg before issuing strongly worded and cosmically irrelevant denunciations of African famines or Latin American earthquakes. Und jetzt? ... continue reading

Sprengelpflicht für Grundschüler: Keine Hilfe aus Karlsruhe

In welcher Grundschule ein Kind eingeschult wird, kann man sich bekanntlich nicht aussuchen, sondern hängt vom Wohnort der Eltern ab: In der Regel kommt das Kind (wenn die Eltern sich keine Privatschule leisten) in die so genannte Sprengelschule. Wenn die nichts taugt, dann ist das schlecht für das Kind, und in solchen Situationen sind Eltern zu jeder Kraftanstrengung bereit – bis hin zum (Schein-)Umzug. Vom Bundesverfassungsgericht ist jedenfalls keine Hilfe zu erwarten: Karlsruhe hat heute in einer Kammerentscheidung einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen. Die Eltern wollten bilingualen Unterricht und einen Musikschwerpunkt, und beides gab es auf der Sprengelschule nicht, ... continue reading

Neues aus Karlsruhe zum EU-Haftbefehl

Das OLG München hat der 2. Kammer des Zweiten Senats die Gelegenheit verschafft, eine Auslieferung aufgrund eines EU-Haftbefehls zu stoppen. In dem Fall ging es um einen Griechen mit deutschem Pass, gegen den die griechischen Strafverfolgungsbehörden ermittelten, die deutschen aber nicht – mit der Folge, dass die Tat nach deutschem Recht verjährt war. Das OLG sah aber kein Auslieferungshindernis, weil die griechischen Ermittlungshandlungen „ihrer Art nach“ geeignet gewesen seien, die deutsche Verjährungsfrist zu unterbrechen. Diese Ansicht haut nun die 2. Kammer des Zweiten Senats den OLG-Richtern mit maximaler Wucht um die Ohren: Mit seiner Begründung seiner Auslegung von § 9 ... continue reading

“80-Prozent-Mythos” erneut widerlegt

Die FAZ berichtet von einer neuen Studie der Bundestagsverwaltung, wonach nur ein Drittel der in der 16. Legislaturperdiode verabschiedeten Gesetze auf einen EU-Impuls zurückgehen. Das zeigt erneut, dass der „80-Prozent-Mythos“ – 1988 von Jacques Delors als Zukunftsprognose in die Welt gesetzt – Humbug ist. Schon vor einem guten Jahr hat Annette Elisabeth Töller mit einer empirischen Studie (ZParl 2008, S. 3ff.) zeigen können, dass der Anteil der von der EU initiierten Gesetze weit unter der 80-Prozent-Marke liegt – die aber trotzdem immer wieder von Europaskeptikern als Argument gebraucht wird, u.a. auch von Roman Herzog (dem in dem FAZ-Artikel peinlicherweise eine ... continue reading

Tschechiens Verfassungsrichter: Wie sind die denn drauf?

Tschechiens Verfassungsgericht hat getan, was das BVerfG 2005 peinlich vermied: Es hat den Zeitplan für vorgezogene Neuwahlen gekillt, offenbar weil ein Abgeordneter sein Recht auf eine volle Legislaturperiode eingeklagt hat. Jetzt überlegt Präsident Vaclav Klaus die Verfassung zu ändern. Ich kann kein tschechisch, und eine PM oder das Urteil selbst auf englisch habe ich nicht gefunden. Hier immerhin der Link zu den Links. Und obendrein ist jetzt bei dem selben Verfassungsgericht eine Klage konservativer Senatoren gegen Lissabon anhängig, was das Inkrafttreten des Vertrags um Monate verzögern kann. Dass die Richter vor gar nix Angst haben, das haben sie ja wohl ... continue reading

Die CSU tobt noch ein bisschen herum

CSU-Europapolitiker Thomas Silberhorn sorgt mit unabgesprochenen Anträgen ein letztes Mal für Trubel. Aber die Begleitgesetze zum Lissabon-Vertrag kann er nicht mehr aufhalten. Warum tut er das? Der Mann war Assistent bei Rudolf Streinz in Bayreuth, er versteht etwas von der Materie. Der ist kein Europaskeptiker. Aber sein Chef Seehofer pfeift und er tanzt. Dann, so hofft er wohl, wird er was in der nächsten Legislaturperiode…