Articles for category: Themen

BVerfG: Länder dürfen private Baudenkmäler strafrechtlich schützen

Das Bundesverfassungsgericht sieht nach einem heute veröffentlichtem Beschluss offenbar kein Problem dabei, wenn Bausünder, die denkmalgeschützte Gebäude abreißen, landesrechtlich zu Straftätern gemacht werden. Einen Vorlagebeschluss des AG Meißen, die sächsische Strafvorschrift für verfassungswidrig zu erklären, hat die 2. Kammer des Zweiten Senats für unzulässig erklärt. Denkmalschutz ist Bundessache, und nach § 304 StGB ist nur die Zerstörung eines „öffentlichen Denkmals“ eine Straftat. Nach Ansicht der 2. Kammer lässt sich daraus aber noch nicht schlussfolgern, dass der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz damit abschließend Gebrauch gemacht habe: Öffentliche Denkmäler seien für die Öffentlichkeit (zumindest eingeschränkt) zugänglich und damit besonders gefährdet. Das rechtfertige ... continue reading

Datenschutz-Beauftragte: Unabhängig genug, meint der Generalanwalt

Die Datenschutz-Kontrolle in Deutschland geht, was ihre Unabhängigkeit betrifft,  europarechtlich wohl in Ordnung. Der Generalanwalt beim EuGH Ján Mázak kommt in seinen heute veröffentlichten Schlussanträgen (Az.: C-518/07) zu dem Schluss, dass nach gegenwärtigem Stand der Erkenntnis es keinen Grund gibt zu glauben, dass die staatliche Aufsicht über die Kontrollstellen deren Unabhängigkeit beeinträchtigt. Das Gericht folgt bekanntlich den Schlussanträgen des Generalanwalts in den meisten Fällen. Deutschland war von der Kommission verklagt worden, weil die Datenschutzbeauftragten nicht institutionell unabhängig sind, sondern landesrechtlich der staatlichen Aufsicht unterstehen. In der maßgeblichen Richtlinie wird aber verlangt, dass sie in „völliger Unabhängigkeit“ ihrer Arbeit nachkommen sollen. ... continue reading

Europaparlament und Fünf-Prozent-Hürde

Auch bei den Europawahlen gibt es eine Fünf-Prozent-Hürde. Warum eigentlich? Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten: Die Hürde wird damit gerechtfertigt, dass das Parlament die Regierung wählt und eine stabile Regierungsmehrheit durch Splitterparteien im Parlament schwerer herzustellen wäre. In Europa gibt es dagegen so etwas wie eine „Regierungsmehrheit“ überhaupt nicht. Der Bestsellerautor und als Staatsverfallskassandra einschlägig bekannte Professor Hans-Herbert von Arnim hat neben einigen anderen gegen die Europawahl Einspruch eingelegt: Die Fünf-Prozent-Hürde sei verfassungswidrig und genüge den neuerdings viel strengeren Maßstäben des BVerfG an die Wahlrechtsgleichheit nicht mehr. Im Prinzip leuchtet mir auch nicht recht ein, was ... continue reading

Tschechiens Lissabon-Urteil

Drüben bei Adjudicating Europe gibt es das Urteil vom 3. November auszugsweise auf Englisch – hoch interessant! Die Kläger haben sich stark auf die Lissabon-Entscheidung unseres Zweiten Senats gestützt. Doch das Brünner Gericht hat den Karlsruher Kollegen eine Menge zu sagen. Da ist zum einen der Punkt, dass das Bundesverfassungsgericht Politikmaterien definiert, die nicht auf die europäische Ebene übertragen werden dürfen. Zitiert nach AE: It reminds that in its [Lisbon Treaty I judgment] the Constitutional Court stated that “these limits should be left primarily to the legislature to specify, because this is a priori a political question, which provides the ... continue reading

Lissabon: This is not over yet…

Der Lissabon-Vertrag ist ratifiziert, lang genug hat’s gedauert und gestern abend haben vor Freude und Erleichterung sicher eine Menge Leute eine metaphorische oder reale Champagnerflasche leergemacht. Mit gutem Grund: Der Vertrag ist, wenngleich unperfekt, im Vergleich zum Status Quo verfassungspolitisch ein echter Fortschritt. Jetzt, so könnte man meinen, wird es leichter werden, den Euroskeptikern argumentativ entgegenzutreten. Europaparlament als gleichberechtigtes Legislativorgan, volle justizielle Kontrolle auch in der Innen- und Rechtspolitik, mehr Rechte für nationale Parlamente – das ist doch was. Ist das „Demokratiedefizit“ damit, wenn schon nicht verschwunden, so doch ein gutes Stück kleiner geworden? Das wird aber leider niemanden beeindrucken. ... continue reading

EGMR: Kruzifix-Urteil reloaded

Bald eineinhalb Jahrzehnte ist es her, dass das BVerfG für seine Verhältnisse unerhörte Dresche bezog für sein Kruzifix-Urteil, wonach „Lernen unter dem Kreuz“ mit der Glaubensfreiheit nicht-christlicher Schüler und dem Erziehungsrecht nicht-christlicher Eltern kollidieren kann. Jetzt kommt aus Straßburg ein Urteil, das in die gleiche Richtung zielt: Geklagt hatte eine Italienerin, die ihre beiden Söhne laizistisch erziehen will und sich daran durch das Kreuz im Klassenzimmer gehindert sah. Vor den italienischen Behörden und Gerichten hatte sie kein Glück, weil diese – Italia felice! – kurzerhand befanden, das Kreuz sei ein Symbol italienischer Geschichte, Kultur und Identität, ein Zeichen von Toleranz ... continue reading

Informationsfreiheitsgesetz: Die USA könnten beleidigt sein…

Das Bundesverwaltungsgericht hat sein Urteil gefällt, in welchem Umfang die Bundesregierungen Journalisten aus Rücksicht auf „internationale Beziehungen“ die Auskunft verweigern darf – und das Ergebnis ist ernüchternd: In dem Fall ging es um Flugdaten, die Rückschlüsse auf die geheimen CIA-Flüge mit entführten Islamisten an Bord zugelassen hätten. Diese Daten durfte die Regierung mit der Begründung verweigern, dass die USA sonst vielleicht böse werden könnten. Das Informationsfreiheitsgesetz gibt jedermann einen Anspruch gegen Bundesbehörden, ihnen vorliegende Informationen rauszurücken. Natürlich gibt es Ausnahmen. So besagt § 3 IFG: Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, 1. wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben ... continue reading

BVerfG lässt Privatkopie unangetastet (vorläufig)

… wenn auch nur aus formalen Gründen: Die 3. Kammer des Ersten Senats hat die Verfassungsbeschwerde der Musikindustrie gegen die Privatkopie aus Fristgründen nicht zur Entscheidung angenommen. Die eigentlich spannenden Frage bleibt damit vorerst unbeantwortet: Zwingt das nach Art. 14 GG geschützte (geistige) Eigentumsrecht und dessen Entwertung im Internet-Zeitalter den Gesetzgeber zum Handeln? Die Musikindustrie wehrt sich wie ein Mistkäfer gegen das gesetzlich verbürgte Recht, urheberrechtlich geschützte Werke für sich und Freunde zu vervielfältigen, ohne zu zahlen und zu fragen. In der Urheberrechtsreform „Korb eins“ 2003 war es ihr nicht geglückt, die Privatkopie aus dem Gesetz zu kicken. Die Frage, ... continue reading

EU-Mitglied Malta: Karnevalist im Nonnenkostüm macht sich strafbar

Köln ist auch eine ziemlich katholische Stadt. Aber die Vorstellung, man würde dort Karnevalisten wegen ihres Nonnenkostüms vor den Staatsanwalt schleifen, würde dort wohl eher für die landestypische Heiterkeit sorgen. In Malta, der Urlaubsinsel im Mittelmeer, ist dagegen die „Vilification of the Roman Catholic Apostolic Religion“ nach Art. 163 des Strafgesetzbuchs mit einem bis sechs Monaten Gefängnis bedroht. Und so hatte der Kriminal-Appellationsgerichtshof jetzt zu entscheiden, ob das karnevalistische Nonnenkostüm diesen Tatbestand erfüllt oder nicht. Ergebnis: Kostüm alleine nicht, aber kommen noch weitere Albereien dazu, dann wird’s eng: The mere fact of dressing up as nun, even if for carnival, ... continue reading

BVerfG: Die kuschelige Wärme der Hausgemeinschaft

Ich habe mir geschworen, nie eine Wohnung zu kaufen: Wohnungseigentum kehrt das Schlechteste im Menschen hervor. Das zeigt ein heute veröffentlichter Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts: Da ging es um eine psychisch kranke Frau, die mit ihren Schreien die Nachtruhe der Nachbarn störte. Diese wussten sich – Eigentümer, die sie waren – zu helfen, indem sie kurzerhand dem Lebensgefährten der Kranken, deren einziger Kontaktperson, durch Beschluss der Eigentümerversammlung ein Hausverbot erteilten. Weil sich die beiden nächtens immer lautstark stritten. Die Gerichte ließen die kranke Frau im Stich: Das Amtsgericht Mainz befand, dass es zwar sehr zu ... continue reading