Articles for category: Themen

BVerfG verhandelt zu Vorratsdatenspeicherung

Am 15. Dezember wird der Erste Senat über die Vorratsdatenspeicherung verhandeln. Das Verfahren ist in zweierlei Hinsicht extrem spannend: Zum einen natürlich, weil es um eine grundlegende Weichenstellung zur informationellen Selbstbestimmung und zur Freiheit überhaupt geht. Zum anderen aber, weil sich hier dem Gericht eine Gelegenheit bietet, sein Verhältnis zum EuGH zu klären: Die Vorratsdatenspeicherung beruht auf einer EG-Richtlinie, und zwar einer ziemlich zweifelhaften – sie verkleidet sich als Binnenmarkts-Maßnahme. Die Beschwerdeführer schlagen vor, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob die Richtlinie kompetenz- und grundrechtemäßig dem Gemeinschaftsrecht entspricht. Dazu gab es zwar schon eine Vorlage aus Irland, aber die war ... continue reading

Vom Wert, den Staatsanwalt verstehen zu können

Was heißt „dat in urmarire generala“? Das ist Rumänisch und heißt Durchsuchung. Das ist in diesen Zeiten des EU-Haftbefehls ganz hilfreich zu wissen, wenn man ins Visier der rumänischen Justiz gerät. Denn in diesem Fall wird man von derselben im Zweifel so rechtsstaatlich korrekt behandelt wie jeder Rumäne auch: Befehle, Bescheide, Belehrungen kriegt man schon – nur eben auf rumänisch. Dass die EU-Mitgliedsstaaten es mit der Harmonisierung der Ermittlungsinstrumente viel eiliger hatten als mit der der Beschuldigtenrechte, ist ein viel beklagtes Phänomen. Insofern ist es schön, dass heute die EU-Justizminister einen Fahrplan aufgestellt haben, um auch den Beschuldigten gemeinschaftsweit einheitliche ... continue reading

“Sauvons l’Europe” applaudiert Karlsruher Lissabon-Urteil

Franz Mayer, der Bielefelder Europarechtler und Prozessvertreter des Bundestags im Lissabon-Verfahren, hat das Urteil des Zweiten Senats mit dem kopfschüttelnden Ausspruch „Rashomon in Karlsruhe“ bedacht: Vom begeisterten Integrationisten bis zum säuerlichsten Euroskeptiker, jeder findet etwas für seinen Geschmack darin. Die europhilen Blogger von Sauvons l’Europe haben sich die Entscheidung durchgelesen, und lo and behold: Sie finden sie ganz prima. Fern vom „souverainisme à la papa“ preisen sie die Ausführungen des Senats als gerechtfertigtes Plädoyer für demokratische Selbstbestimmung der Deutschen, und gegen die Ansage, ein europäischer Bundesstaat sei auf Basis des Grundgesetzes nicht zu machen, haben sie auch nichts einzuwenden: Ein ... continue reading

Riesentriumph im Kampf gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben

Das Bundesverfassungsgericht hat die Benachteiligung der Homo-Ehe bei der Hinterbliebenenrente im öffentlichen Dienst für verfassungswidrig erklärt. Nicht nur das: Nach den schlappen Kammerentscheidungen des Zweiten Senats 2007 und 2008, der ebenso schlappen Nicht-Entscheidung zur Stiefkindadoption und der superschlappen Entscheidung zur künstlichen Befruchtung hat der Erste Senat jetzt ein Grundsatzurteil zur Diskriminierung von Schwulen und Lesben gefällt, das im politischen und juristischen Resonanzraum noch lange nachhallen wird. Erstmals hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkannt, dass eine Ungleichbehandlung nach sexueller Orientierung ähnlich strengen Rechtfertigungskriterien unterliegt wie eine Diskriminierung nach Geschlecht, Rasse, Glauben und anderer in Art. 3 III GG explizit verbotener Kriterien. Wow. ... continue reading

Joseph Weiler zum Lissabon-Urteil: milde und voller Verachtung

Vor 15 Jahren, als der Zweite Senat sein Urteil über den Maastricht-Vertrag fällte, gehörte Joseph H. H. Weiler zu den schärfsten Kritikern: Damals schreckte er nicht davor zurück, Kirchhof und Kollegen mit ihrer dubiosen Doktrin vom „homogenen Staatsvolk“ in die Nähe ethnischer Säuberungen zu rücken. Kirchhof und Böckenförde als Karadzic und Mladic von Karlsruhe – das war starker Tobak. Jetzt, nach dem Lissabon-Urteil, scheint Professor Weiler die Dinge deutlich milder zu betrachten. Das dürfte damit zusammenhängen, dass die Homogenitäts-Doktrin diesmal gottlob keine Rolle mehr spielt. Aber auch integrationspolitisch gibt sich Weiler in seinem Editorial zum jüngsten Heft des European Journal ... continue reading

EGMR schützt den Humor, nicht die Bigotterie

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat normalerweise nicht viel zu lachen. Die Berliner Eltern beispielsweise, die ihren Kreuzzug gegen das Pflichtfach Ethik auch nach zwei verlorenen BVerfG-Verfahren noch nicht aufgeben wollten, scheinen mir nicht mit einem Übermaß an Humor gesegnet zu sein. Jetzt haben sie auch in Straßburg verloren, und ihr Töchterlein wird künftig mit Heiden, Muselmännern und anderen der Verdammnis Anheimgegebenen die Ethik-Schulbank drücken müssen. Zitat aus der Pressemitteilung: It was not possible to deduce from the Convention a right not to be exposed to convictions other than one’s own. Zwei andere heute entschiedene Fälle verdienen ... continue reading

Hartz IV: Da kommt was Fundamentales auf uns zu…

Ich war nicht bei der heutigen Verhandlung vor dem BVerfG in Karlsruhe, aber der Bericht der Kollegin Corinna Budras von der FAZ lässt den Schluss zu, dass der Erste Senat die Fundamente des Sozialstaats neu gießen will: Menschenwürde als Maßstab, Ermessensgrenzen des Gesetzgebers bei Gestaltung von Sozialleistungen – das klingt nicht, als stünde uns eine Musterentscheidung verfassungsrichterlicher Selbstbeschränkung ins Haus…

Innen und Justiz: Auch in Brüssel zwei Paar Stiefel

In der nächsten EU-Kommission wird es je einen Kommissar für Inneres und einen für Justiz geben: “Most governments, if not all governments in Europe, have a minister for justice and a minister for interior or security and internal affairs, so that’s one of the reasons I decided to have instead of one commissioner in charge of all these matters to separate [them] in the new Commission,” Barroso told a press conference today. So schreibt EuropeanVoice. Wir erinnern uns an Clements Versuch in NRW Ende der 90er, das Innen- und das Justizressort zusammenzulegen. Das ging nicht gut aus, und zu Recht. Der ... continue reading

Europäische Verfassungsgrundsätze

Allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts haben die Qualität europäischen Verfassungsrechts. Das hatte man sich denken können, aber so klar hat der EuGH dies noch nie gesagt wie jetzt im Fall Audiolux (C-101/08): Dabei ging es um die Frage, ob die Aktionärsgleichheit als ein solcher Grundsatz gelten kann. Kann er nicht, so der EuGH: Ein Grundsatz, wie er von Audiolux geltend gemacht wird, setzt gesetzgeberische Entscheidungen voraus, die auf der Abwägung der in Rede stehenden Interessen und im Vorhinein festgelegten klaren und detaillierten Regeln beruhen (…)   Die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts haben nämlich Verfassungsrang, während der von Audiolux geltend gemachte Grundsatz ... continue reading

Neues zu “Neues aus Karlsruhe zum EU-Haftbefehl”

Irgendwie häuft es sich in letzter Zeit, dass das Bundesverfassungsgericht immer wieder die gleichen Fälle erneut auf den Tisch bekommt. Am 3. September hatte die 2. Kammer des Zweiten Senats einem Deutsch-Griechen zu seinem Recht verholfen, der in Griechenland wegen einer nach deutschem Recht verjährten Tat gesucht worden war. Anschließend hatten die Griechen einfach einen neuen Haftbefehl erlassen, und dann wenig später noch einen dritten – wegen ganz anderer Taten als beim ersten Mal. An Tatvorwürfen gegen den Mann scheint kein Mangel zu herrschen: Diesmal soll er dem griechischen Staat zur Olympiade 2004 ein Sicherheitssystem verkauft haben, das er von ... continue reading