2. November 2011

Maximilian Steinbeis

Das Ende der Alternativlosigkeit

Warum finden alle Papandreous Ankündigung, die Euro-Rettung seinem Volk zur Abstimmung vorzulegen, eine schlimme Nachricht? Die Griechen sollen gerettet werden, aber dafür sollen sie auch einen Preis zahlen. Jetzt werden sie gefragt, ob sie dazu bereit sind. Warum freut sich keiner?

Bei Referenden auf EU-Ebene hat man oft deshalb ein komisches Gefühl, weil es nicht allein eine Sache des abstimmenden Volkes ist, über die abgestimmt wird: Wenn die Iren abstimmen, wie die Vertragsgrundlage der EU aussehen soll, dann ist das unser aller Vertragsgrundlage, und nicht nur die der Iren.

Das ist hier auf den ersten Blick genauso: Es geht um den Euro, und mit dem zahlen auch wir unsere Rechnungen, nicht nur die Griechen.

Der Unterschied ist aber, dass die Iren nicht aus der EU austreten müssen, wenn sie eine Änderung der Verträge niederstimmen. Sie bleiben drin. Die Folgen ihres Neins sind für sie die gleichen wie für uns: eine Krise in der EU, die alle gemeinsam irgendwie lösen müssen. Im Zweifel lassen sie sich ihr Ja halt vom Rest der EU abkaufen.

Die Griechen dagegen sind draußen, wenn sie Nein sagen. Es handelt sich um eine Art Beitrittsreferendum mit umgekehrtem Vorzeichen. Sie werden nicht gefragt: So soll es weitergehen, seid ihr einverstanden oder nicht? Sondern: Seid ihr dabei oder nicht?

Natürlich hat es auch für uns Folgen, wenn sie Nein sagen. Aber das hat es immer. Das ändert nichts daran, dass die Griechen die richtigen und einzigen Adressaten sind, um diese Frage zu entscheiden.

Vielleicht sollte man nicht nach Irland schauen, sondern nach Island: Die Isländer haben das Abkommen, das ihre Regierung mit den Gläubigerländern ausgehandelt hatte, tatsächlich niedergestimmt. Zweimal hintereinander. Sie haben sich dagegen entschieden, wissend um die Folgen. Jetzt müssen sie alleine klar kommen.

Das ist natürlich nicht vergleichbar. Island hat 300.000 Einwohner, Griechenland 11 Millionen. Island hat Geothermie, Wasserkraft, Fische und Tourismus. Griechenland hat nur Tourismus. Island ist eine ferne Insel im Nordatlantik. Griechenland liegt mitten drin in Europa. Island war schon vorher draußen. Griechenland nicht.

Aber das heißt nur, dass die Isländer es sich eben leisten konnten, das Abkommen abzulehnen. Die Welt ist nicht untergegangen. Als ich im Sommer in Reykjavik war, fand ich dort ein Volk, das ganz offensichtlich ziemlich viel Spaß am Leben hatte und ziemlich wenig Zeit damit verplemperte, dem Verlust ihrer Riesen-SUVs und ihrer hoch dotierten Bankenjobs hinterherzujammern.

Das Referendum in Griechenland heißt, dass es jetzt ein Ende damit hat, die Euroretterei ständig als alternativlos hinzustellen. Jetzt gibt es eine Alternative: das Nein der Griechen. Papandreou wird jetzt den Griechen erklären müssen, warum ihre Verhandlungslösung für sie besser ist als draußen zu sein, mit einer um 50 Prozent abgewerteten Drachme, mit doppelt so viel Schulden und ringsum lauter stinksauren Nachbarn. Die Griechen sind vielleicht blöd (sind wir alle). Aber so blöd sind sie nicht, dass sie nicht wissen, was gut für sie ist.

Foto: George Laoutaris, Flickr Creative Commons

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