13. Januar 2011

Maximilian Steinbeis

EGMR rügt BVerfG wegen überlanger Verfahrensdauer

Sechs Jahre sind zu lang.

So lange hatte das BVerfG gebraucht, um über eine Verfassungsbeschwerde u.a. des militanten Abtreibungsgegners Klaus Günter Annen zu entscheiden. Das war im Juni 2006.

Jetzt hat der EGMR ohne weitere Begründung darin eine Verletzung von Art. 6 I EMRK erkannt und Annen und seiner Mitstreiterin je 4000 Euro Entschädigung zugesprochen.

Das wird die Instanzrichter freuen, die gelegentlich von Karlsruhe eins übergebraten bekommen, wenn sie für eine Entscheidung zu lange brauchen.

„Babycaust“ geht nicht

Herr Annen ist ein Mann, den ich in Ausübung meiner Meinungsfreiheit einen religiösen Spinner nenne, und zwar einen mit einer ziemlich ekelhaften Neigung, den Holocaust vor den Karren seiner Erweckungskampagne zu spannen: Auf seiner Website www.babycaust.de zeigt er ein Bild vom Tor von Auschwitz I („Arbeit macht frei“) neben einem von einer Schwangerschaftsabbruch-OP stellt. Bildunterschriften: „Damals KZ’s – heute OP’s“.

Das, so der EGMR, geht nicht, jedenfalls nicht, wenn damit jemand Bestimmtes angeprangert werden soll (im entschiedenen Fall ein Frauenarzt, der Abtreibungen vornimmt): Wer andere eines Verbrechens von der Größenordnung des Holocaust bezichtigt, stellt sich außerhalb des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit.

The Court observes that the impact an expression of opinion has on another person’s personality rights cannot be detached from the historical and social context in which the statement was made. The reference to the Holocaust must also be seen in the specific context of the German past.  The Court therefore accepts the domestic courts‘ conclusion that the impugned statement constituted a very serious violation of the physician’s personality rights.

Update: Kritisches zu dem Urteil und seinem „chilling effect“ auf die Meinungsfreiheit hier.

Foto: Steve Rhodes, Flickr Creative Commons

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