11. Oktober 2018

Carl Otto Lenz

Einmal Kanzler, immer Kanzler? Warum eine Amtszeitbegrenzung für den Bundeskanzler nötig ist

Die Junge Union will, dass die Amtszeit des Bundeskanzlers künftig auf drei Wahlperioden begrenzt wird. Das hat die Jugendorganisation der Unionsparteien am Wochenende auf ihrem Deutschlandtag in Kiel beschlossen. Angela Merkel, gegenwärtig zum vierten Mal Bundeskanzlerin, ist dagegen.

Und sie hat recht – jedenfalls in einem Punkt. Man darf die Regeln nicht während des Spiels ändern. Das heißt aber nicht, dass man nicht über die Sache diskutieren darf und die Regeln nicht für zukünftige Spiele ändern kann und sogar ändern muss und eine Begrenzung einführen soll.

Bisher gilt: Der Bundestag bestimmt mit der Mehrheit seiner Mitglieder, wer Kanzler wird (Art. 63 Abs. 2 S. 1 GG). Ob der Kandidat oder die Kandidatin schon einmal, zweimal oder dreimal Bundeskanzler war, ist unerheblich. Rechtlich könnte sich Angela Merkel, den Rückhalt in ihrer eigenen Fraktion vorausgesetzt, auch nach der nächsten regulären Bundestagswahl 2021 noch einmal zur Wahl stellen.

Die bisherige Regelung hat sich nicht bewährt. Bei den Kanzlern, bei denen eine dritte oder vierte Amtszeit in Auge gefasst werden konnte, war der Höhepunkt vorher überschritten. Konrad Adenauer, 1949 erstmals zum Bundeskanzler gewählt und 1953, 1957 wiedergewählt, hatte den Zenit nach seiner zweiten Amtszeit erreicht: das Ende der Besatzungszeit, die Rückkehr der letzten Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion, die Aufnahme in die Nato, die Ratifizierung der Römischen Verträge (EWG UND EURATOM), die Rentenreform, die absolute Mehrheit im Bundestag für die CDU/CSU. Das hat sich 1961 nicht wiederholt. Als die Unionsparteien 1961 die absolute Mehrheit verloren, lies er sich mit den Stimmen der FDP zwar noch ein viertes Mal zum Bundeskanzler wählen. 1963 erzwang der Koalitionspartner jedoch seinen Rücktritt.

Helmut Kohl, 1982 durch ein konstruktives Misstrauen zum Kanzler gewählt und 1983 und 1987 im Amt bestätigt, sollte am Ende der zweiten Amtszeit gestürzt werden. Der Zusammenbruch der DDR hat ihn davor bewahrt. Mit der Wiedervereinigung begann ein neuer Abschnitt der deutschen Geschichte und Kohl wurde 1991 und 1994 erneut zum Kanzler gewählt. In der zweiten Wahlperiode des wiedervereinigten Landes wurde die Nachfolge Kohls diskutiert, aber nicht vollzogen. Kohl trat 1998 noch einmal an. Sein Nachfolger war Gerhard Schröder.

Nun also Angela Merkel: Sie wurde 2005 erstmals zur Kanzlerin gewählt und erreichte nach zwei Amtszeiten und vielen gut bewältigten Krisen 2013 fast die absolute Mehrheit. Das hat sich 2017 nicht wiederholt. Die Frage, wie es 2021 weitergehen soll, ist offen.

Das hat m.E. weniger mit den handelnden Personen als mit strukturellen Gegebenheiten zu tun. Der amtierende Bundeskanzler müsste während der laufenden Wahlperiode zu erkennen geben, dass er nicht mehr antreten wird. Oder seine Parlamentsmehrheit oder Teile davon müssten erklären, dass sie für die nächste Wahlperiode einen anderen als Kanzler wünschen. In beiden Fällen würde von der Autorität des Kanzlers wenig übrigbleiben. Die Regierung wäre geschwächt, national wie international. Das ist nicht im Interesse des Staates.

Etwas anderes wäre es, wenn die Amtszeit von Rechts wegen beschränkt wäre. Man wüsste bereits beim Amtsantritt, dass spätestens am Ende der zweiten Amtszeit ein Wechsel eintreten wird. Der Umstand, dass der Kanzler nicht wiedergewählt werden könnte, mag seine Stellung schwächen, ein Urteil über den Amtsinhaber wäre damit aber nicht verbunden. Man könnte die Nachfolge vorbereiten. Der gesetzlich fixierte Zeitpunkt träte an die Stelle des politischen Beschlusses. „Dies interpellat pro homine.“ Das Ansehen der Regierung würde dadurch nicht beschädigt.

Wie das funktioniert, ist in den USA zu besichtigen. Dort galt eine ungeschriebene Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten auf zwei Wahlperioden. Nachdem Roosevelt viermal kandidiert hatte, wurde die Amtszeit für den Nachnachfolger durch den 22. Verfassungszusatz auf zwei Amtszeiten begrenzt. Man kann bei uns auch an drei Wahlperioden denken, aber eine Begrenzung sollte man in Betracht ziehen.

Der Umstand, dass der US-Präsident vom Volk, der Kanzler vom Parlament gewählt wird, spricht nicht gegen, sondern eher für die  Zulässigkeit einer solchen Begrenzung. Wenn es zulässig ist, die Macht des Volkes in Wiederwahlfragen zur begrenzen, gilt das erst recht für die Macht der Parteien und der vom Volk gewählten Abgeordneten, einen Kanzler/Kandidaten zu bestimmen.

Dass derartige Überlegungen auch in Deutschland nicht fremd sind, sieht man daran, dass die bayerische Staatsregierung die Begrenzung der Amtszeit des Ministerpräsidenten auf zehn Jahre vorgeschlagen hat mit der Begründung, dies sei „ein fundamentales Signal für mehr Demokratie, für Begrenzung von Macht“. Söder sagte, er hoffe auf eine Vorbildwirkung für die restliche Republik. Der Vorstoß der bayerischen Landesregierung ist einstweilen gescheitert. Zum Vorbild taugt er dennoch.

 

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