Tausende unterschreiben. Zehntausende. Das Arbeitsmarkt-Datenmonster ELENA soll auf ähnliche Weise geschlachtet werden wie die Vorratsdatenspeicherung, mit einer Massen-Verfassungsbeschwerde nämlich.
Das ist ein spektakulärer Mobilisierungserfolg. Toll.
ELENA ist seit Jahren in der Planung, seit Monaten in Kraft. Das Ding ist nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit entstanden. Da haben parlamentarische Anhörungen und Debatten stattgefunden, von denen jeder, den es interessiert, hätte Notiz nehmen können. Es interessiert offenbar eine Menge Leute. Notiz genommen hat aber kein Mensch. Auch your humble Verfassungsblogger hat bis vor kurzem Elena für einen hübschen graecisierenden Mädchennamen gehalten.
Da kann man schon einmal, wie Steffen Kraft auf Freitag.de, auf den Gedanken kommen, die Frage zu stellen:
Warum kommen Datenrechtler eigentlich fast immer so spät?
Ich würde die Frage sogar noch weiter fassen: Wieso kommen wir alle überhaupt immer so spät? Ist das nicht auch ein Teil der Erklärung, warum die politischen Weichen so oft in Karlsruhe gestellt werden müssen statt im eigentlich zuständigen Parlament – dass die Öffentlichkeit erst merkt, was abgeht, wenn das fragliche Gesetz längst verabschiedet ist, und dann halt nur noch das Bundesverfassungsgericht als Korrekturinstanz übrig ist, weil alle politischen Züge schon längst abgefahren sind?
Offen, und gerade deshalb nicht öffentlich
Die meisten noch offenen politischen Entscheidungsprozesse interessieren die Öffentlichkeit einen feuchten Kehricht. Und zwar gerade weil sie noch offen sind.
Öffentlichkeit entsteht nicht durch Offenheit. Das Abwägen von Lösungsalternativen, das Ringen um Kompromisse und Bündnisse und Mehrheiten interessiert im Zweifel nur die, die in besondere Weise betroffen sind – also Partikularinteressen, im Gegensatz zur Öffentlichkeit.
Die Öffentlichkeit, die breite Masse der allgemein Betroffenen, braucht mehr als diese allgemeine Betroffenheit. Da muss eine Spannung her, eine Polarisierung. Irgendetwas, worüber man sich aufregen kann.
Aufregen kann man sich aber nur über vollendete Tatsachen.
Ein kleines Gedankenexperiment: Die berüchtigten ACTA-Geheimverhandlungen zu Urheberrecht, Internetsperren und Produktpiraterie. Die sind ein Skandal, weil niemand erfährt, worüber da genau verhandelt wird.
Jetzt mal angenommen, die ganzen Verhandlungstexte wären alle online zugänglich.
Wäre es dann tatsächlich einfacher, eine öffentliche Debatte über das Thema in Gang zu setzen? Wenn man die Geheimhaltung nicht skandalisieren könnte?
Wahrscheinlich nicht, oder? Wahrscheinlich würde sich außer ein paar Spezialisten keine Sau dafür interessieren, oder?
Politik muss auch dort, wo sie nicht im engeren Sinne spannend ist, wieder öffentlicher werden. Das ist das Ziel meines Politikatlas-Projektes.