8. März 2011

Maximilian Steinbeis

EuGH: Es kann nur einen geben

Highlander-kiltMit ihrem heutigen Gutachten zum Europäischen Patentgericht stellen die Richterinnen und Richter des EuGH eines unmissverständlich klar: Nur einer hat auf dieser Welt die Autorität, zu sagen, was Unionsrecht ist und was nicht – nämlich der EuGH selbst.

Und was er mit dieser Autorität anzufangen versteht, zeigen sie sofort in einem weiteren ziemlich spektakulären Urteil des heutigen Tages, Ruiz Zambrano: Danach dürfen die Mitgliedsstaaten ausländischen Eltern, deren Kinder durch Geburt einen EU-Pass erwerben, weder Aufenthaltsstatus noch Arbeitserlaubnis verweigern.

Das schreibt er ganz lapidar und treibt damit seine mit Grzelzyk begonnene Installation der Unionsbürgerschaft als eigentlichem rechtlichen Zugehörigkeitsstatus der Menschen in den EU-Staaten auf die Spitze.

Einheit der europäischen Rechtsordnung

Aber zunächst zum Gemeinschaftspatent: Da gab es Überlegungen, ein eigenständiges Gericht außerhalb des institutionellen Rahmens der EU für Patentklagen aller Art zu schaffen. Und die hat der EuGH jetzt in der Knospe abgeknipst.

(Wobei, Knospe: Über das Gemeinschaftspatent wird sich in der EU schon seit Menschengedenken gestritten. Als ich 1999 beim Handelsblatt anfing, war das eine meiner ersten Geschichten. Ich habe mittlerweile aber längst den Überblick verloren, worum es da im Einzelnen geht und warum das so furchtbar schwierig ist, dieses verdammte Patent endlich einzuführen.)

Begründung: Das System des AEUV begründe

eine direkte und enge Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, in deren Rahmen diese an der ordnungsgemäßen Anwendung und einheitlichen Auslegung des Unionsrechts sowie am Schutz der den Einzelnen von dieser Rechtsordnung gewährten Rechte mitwirken.

Diese Einheit der europäischen Rechtsordnung würde zerstört, wenn es da noch ein weiteres europäisches Gericht gebe, das EU-Recht auslegt und zwar gegebenenfalls dem EuGH vorlegen muss, aber im Falle eines Dissenses nicht auf Linie gebracht werden kann. Wenn ein Mitgliedsstaat nicht spurt, dann gibt es ein Vertragsverletzungsverfahren und Schadensersatzansprüche. Bei dem Europäischen Patentgericht geht das nicht.

Heulende Integrations-Motoren

Ich bin da durchaus damit einverstanden, dass Rat und Mitgliedsstaaten nicht parallele Justizstrukturen halb in-, halb außerhalb der EU errichten und damit möglicherweise das Europarecht verunklaren können. Aber die Entschlossenheit, mit der die Luxemburger Richter hier ihr Terrain abstecken, ist schon bemerkenswert, vor allem in der zeitlichen Koinzidenz mit dem Ruiz-Zambrano-Urteil:

Ich bin ja als guter Linksliberaler immer sehr dafür, keine Ausländer abzuschieben. Und ich bin auch ein großer Fan der Unionsbürgerschaft. Die souverainistischen Knurrgeräusche, die der Zweite Senat des BVerfG im EU-Haftbefehls-Urteil gegen die Grzelczyk-Rechtsprechung hat anklingen lassen (RNr. 66), mache ich mir schon gar nicht zu eigen.

Aber dass der EuGH seine Integrations-Motoren jetzt wieder derart ungehemmt aufheulen lässt, ist mir schon nicht recht geheuer. Und wenn er sich schon zutraut, solch fundamentale Fragen wie die in Ruiz-Zambrano aufgeworfenen auf solch dünner gesetzlicher Grundlage zu beantworten, dann soll er sich doch wenigstens ordentlich Mühe geben dabei.

Das BVerfG ist ja gelegentlich auch durchaus in der Lage dazu, sich seine Entscheidungsgrundlagen kurzerhand selber zu schaffen, wenn es das für nötig hält. Aber niemand wird ihm vorwerfen können, es dabei an argumentativem Aufwand fehlen zu lassen.

Ruiz-Zambrano dagegen sagt im Wesentlichen nur, dass die Unionsbürgerschaft nichts wert ist, wenn man nichts davon hat, und man hat nichts davon, wenn diejenigen, von deren Unterhalt man abhängt, nicht im Land bleiben und nicht arbeiten dürfen.

Das ist erfrischend schlicht. Aber für ein Gericht, das die Einheit des gesamten, auf dem Gebiet der EU geltenden Rechts auf die eigenen Schultern zu nehmen beansprucht, ist das doch ein bisschen dürftig, oder nicht?

Foto: David Ball (Original work) [GFDL, CC-BY-SA-3.0 or CC-BY-2.5], via Wikimedia Commons

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