Mein Klagenfurt-Abenteuer ist vorüber, und obwohl ich viel Spaß hatte, viel gelernt habe und auch ziemlich beeindruckt war von der Skalpellführung mancher Juroren, hat sich doch ein anfängliches Grundgefühl zuletzt wieder ganz deutlich bestätigt: Ich bin da fremd.
Ich will nicht jammern, dass sie mich zu den Verlierern sortiert haben (natürlich will ich jammern, aber ich versuche, es nicht zu tun). Ich akzeptiere, dass die Kandidaten, die die Preise gekriegt haben, Preise gekriegt haben, wenngleich ich sie etwas anders verteilt hätte: Nina Bußmann war toll, Steffen Popp war toll, und Leif Randt ist zwar gruselig, aber kann wirklich eine Menge, Thomas Klupp ist überhaupt nicht gruselig und kann vielleicht sogar noch mehr, und gegen die Siegerin Maja Haderlap kann überhaupt und von vornherein schlechthin gar niemand etwas sagen, jedenfalls nicht laut.
Ich akzeptiere auch, dass Kunst etwas mit Selbstexpression zu tun hat. Ich akzeptiere, dass die Österreicher sehr wichtig finden, dass Österreicher gewinnen. Ich akzeptiere, dass die Jury, anders als das Publikum, überwiegend aus Leuten besteht, die wahnsinnig gut darin sind, hermetisch scheinende Texte aufzuschließen, und dass sich das auch in ihren Präferenzen niederschlägt. Ich akzeptiere, dass eine Geschichte über einen beziehungsgestörten Lehrer große Literatur sein kann (kein Sarkasmus, das meine ich ernst).
Aber was mich schon erstaunt hat: Wir leben in außerordentlich spannenden Zeiten, da draußen passieren gerade Umwälzungen von säkularen Dimensionen, und das würde auch niemand der Angehörigen dieser Literatursphäre bestreiten. Nur: Sie scheinen sich nicht für besonders zuständig zu halten dafür. Über beziehungsgestörte Lehrer können sie stundenlang diskutieren. Aber was in Griechenland gerade abgeht, ist aus Klagenfurter Perspektive ein ganz fernliegendes Gesprächsthema für Literaten.
Die Klagenfurter Literatur- und Weltwahrnehmung ist eine, in der Personen vorkommen, aber keine Gesellschaft. Zum Beispiel Krieg: Den bekommt sie ausschließlich als einen Anlass für Individuen in den Blick, individuelle Konflikte zu durchleben, Schuld auf sich zu laden, Angst zu überwinden und so weiter. Alles sehr spannend. Aber was ist das überhaupt, ein Krieg? Wie kann es sein, dass so etwas passiert? Niemals wird man in Klagenfurt diese Frage gestellt finden, geschweige denn eine Antwort darauf bekommen.
Ich bin dort mit einem Text angetreten, der von der Finanzkrise handelt und von der Möglichkeit, dass unser Geld bald vielleicht nichts mehr wert ist. Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht damit, dass ein Juror einen Text, der davon handelt, zu was einen die Furcht vor dieser Möglichkeit alles treiben kann, als „Schnurre“ bezeichnen könnte.
Jetzt freue ich mich auf drei Wochen Ferien, und anschließend werde ich mich erfrischt daran machen, die aufregende Welt da draußen in Worte zu fassen, ob in meinem neuen Roman oder in diesem Blog oder sonst wo. Und auch darauf freue ich mich ungeheuer.