Es gibt im Grundgesetz keinen starken Schutz dagegen, aus seinem Heim vertrieben zu werden. Das scheint mir die Quintessenz des heutigen Garzweiler-Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu sein. Einen schwachen Schutz, vermittelt über das Eigentumsgrundrecht, gibt es – er schützt mich davor, dass die Behörden mich einfach so zum Spaß meine Sachen packen lassen. Aber solange sie dabei das Allgemeinwohl im Sinn haben, alles vernünftig abwägen und meine Belange ins Kalkül ziehen und ein nachdenkliches Gesicht machen, dürfen sie mich um bestimmter politischer Interessen willen tatsächlich, nun ja: zwangsumsiedeln.
Nennt mich libertär, aber bei dem Gedanken kriege ich schon ein bisschen einen trockenen Mund, ehrlich gesagt.
Es geht um den Braunkohletagebau, also das unvorstellbar brachiale Weglöffeln ganzer Landschaften mit Hof und Dorf und Kirche, um an die energie- und klimapolitisch höchst umstrittene Braunkohle darunter ranzukommen. Wer das Unglück hat, dort zu leben, wird enteignet und muss sich damit abfinden, dass der Ort, wo er lebt und herkommt, aufhört zu existieren.
Das Grundrecht, das einen vor staatlichem Zwang in Bezug auf den Ort schützt, an dem man leben möchte, ist Art. 11 GG, das Recht auf Freizügigkeit. Das ist ein ziemlich starkes Grundrecht, das nur unter relativ engen Voraussetzungen eingeschränkt werden kann. Dass man es energiepolitisch für nützlich hält, reicht jedenfalls nicht aus, um einen Eingriff in Art. 11 GG zu rechtfertigen.
Dieses Grundrecht hier ins Spiel zu bringen, wollte der Erste Senat um jeden Preis vermeiden. Er befürchtet, sonst das gesamte Planungs- und Bodennutzungsrecht ins Rutschen zu bringen. Schließlich könnte man sonst auch argumentieren, dass es ein Eingriff in mein Recht auf Freizügigkeit ist, wenn ich mir auf meinem Grund im Außenbereich kein Haus bauen darf. Da dies nicht sein kann, dürfe der Schutzbereich des Art. 11 nur Orte umfassen, wo „jeder Aufenthalt und Wohnsitz nehmen kann“. Ein Recht darauf, dass die „rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen“ dieses Aufenthalts geschaffen werden bzw. erhalten bleiben, gewähre er nicht.
Ebenso wenig vermittle Art. 11 ein „Recht auf Heimat“, also auf Erhalt des „städtebaulichen und sozialen Umfelds“, in dem man lebt. (Richterin Susanne Baer hatte so etwas 1997 mal in einem NVwZ-Aufsatz angedacht.)
All dies wird stattdessen zu Abwägungsgesichtspunkten im Rahmen des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 GG: Dessen Schutzbereich baut der Senat entsprechend aus, indem er auch die „gewachsenen Bezüge in städtebaulicher und sozialer Hinsicht“ zum geschützten Eigentum dazugehören lässt:
Dabei wiegt der Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG umso schwerer, je umfassender und für die Freiheitsentfaltung gravierender die mit dem Entzug von Wohneigentum verbundene Beeinträchtigung oder gar Vernichtung des Wohnumfelds ist.