28. Januar 2011

Maximilian Steinbeis

Geschlechtsumwandlung muss auch ohne OP möglich sein

Da sind wir doch mal wieder von ganzem liberalen Herzen mit unserem lieben Ersten Senat einverstanden:

Frauen mit männlichen Geschlechtsorganen müssen Frauen sein dürfen. Sie müssen mit Frauen eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft eingehen können. Und mit Männern eine Ehe.

Und zwar auch ohne dass vorher jemand an ihnen herumgeschnipselt hat.

(Für Männer mit weiblichen Geschlechtsorganen gilt mutatis mutandis natürlich das selbe.)

Das hat das Bundesverfassungsgericht in seiner nunmehr siebten Entscheidung seit 1978 zum Thema Transsexualität jetzt beschlossen. Das Transsexuellengesetz wird allmählich zu einem ähnlichen Verfassungsrechts-Dauerbrenner wie die Parteienfinanzierung oder das Rundfunkrecht.

Der Hebel Homo-Ehe

Der Hebel für diese x-te Reformrunde im Transsexuellenrecht ist die Einführung der Homo-Ehe:

Bislang kann eine Frau mit männlichen Geschlechtsorganen keine Frau  heiraten. Sie muss entweder so tun, als sei sie ein Mann (und eine Ehe eingehen) oder sich operieren lassen – dann kann sie personenstandsrechtlich als Frau anerkannt werden und ihr steht die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft offen.

So geht das nicht, sagt der Erste Senat:

Die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts darf nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die schwere Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit bedingen und mit gesundheitlichen Risiken verbunden sind, wenn diese nach wissenschaftlichem Kenntnisstand keine notwendige Voraussetzung einer dauerhaften und erkennbaren Änderung der Geschlechtszugehörigkeit sind.

Maßstab ist das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG. Dieses verbiete, eine(n) Homosexuelle(n) auf die verschiedengeschlechtliche Ehe zu verweisen und ihn/sie damit

einer Infragestellung seiner geschlechtlichen Identität wie seiner sexuellen Orientierung aus(zusetzen). Zum einen gerät er in Zwiespalt zwischen dem durch die Eheschließung vermittelten Eindruck seiner Geschlechtszugehörigkeit und seines, dem entgegenstehenden eigenen Geschlechtsempfindens. Zum anderen wird ihm in der Ehe als heterosexueller Verbindung eine Rolle zugeschrieben, die seiner sexuellen Orientierung widerspricht.

Dass der Staat auf eine eindeutige Zuordnung als Mann oder Frau beharrt und dabei auch erstmal von den jeweiligen Geschlechtsorganen ausgeht, sei in Ordnung. Aber das müsse auch auf andere Weise gehen als eine riskante und einschneidende Operation. Außerdem dürfe der Staat nicht verlangen, dass man sich dauerhaft fortpflanzungsunfähig macht.

Update: Zur parallelen Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs 2009 siehe hier und hier.

Schreibe einen Kommentar