11. Januar 2010

Maximilian Steinbeis

Irland: Verfassungsbigotterien

Mit Iren kann man viel Spaß haben. Aber seit 1. Januar hat der Spaß ein Ende, jedenfalls was den Allmächtigen betrifft. Seit Jahresbeginn ist in Irland ein Gesetz in Kraft, das Gotteslästerung mit einer Strafe von bis zu 25.000 Euro bedroht.

Das Abgefahrene daran ist: Niemand will dieses Gesetz. Selbst der irische Justizminister Dermot Ahern, der es entworfen und durchgesetzt hat, beteuert, dass er den Straftatbestand am liebsten abschaffen würde.

Das Kreuz Problem ist die irische Verfassung. Die gewährt, wie jede vernünftige Verfassung, Meinungsfreiheit, allerdings mit folgendem kleinen Zusatz:

The publication or utterance of blasphemous, seditious, or indecent matter is an offence which shall be punishable in accordance with law.

Das hatte viele Jahre keinen groß interessiert. Mitte der 90er Jahre aber hatte ein frommer Zimmermann aus Dublin namens John Corway sich furchtbar über einen (ziemlich lahmen) kirchen-spöttischen Cartoon in einer Zeitung aufgeregt und bis zum  Supreme Court geklagt. Vergebens: Die obersten Richter stellten 1999 fest, dass das irische Recht überhaupt nicht festlege, was in diesen modernen Zeiten als Blasphemie zu gelten habe und was nicht.

Das implizierte aber, dass der irische Gesetzgeber dem Verfassungsauftrag, Blasphemie zur Straftat zu machen, nicht nachgekommen war. Die naheliegende Lösung wäre gewesen, diesen Auftrag einfach aus der Verfassung zu streichen. Das geht aber nicht so einfach, und zwar aus einem Grund, den wir noch aus den Lissabonvertrags-Zeiten kennen: Die irische Verfassung kann nur per Referendum geändert werden.

Normalerweise sind Verfassungen dazu da, die Leute vor dem strafenden Staat zu schützen. Dass sie den Staat zum Strafen zwingt, obwohl dieser überhaupt nicht möchte und es auch gar keinen vernünftigen Grund dafür gibt, scheint mir ziemlich einzigartig (von der Schutzpflicht-Konstellation des Abtreibungsurteils, die ganz anders gelagert ist, jetzt mal abgesehen).

Die irische Verfassung hat noch andere Bigotterien aufzuweisen. Die Präambel ist schon ein echter Kracher:

In the Name of the Most Holy Trinity, from Whom is all authority and to Whom, as our final end, all actions both of men and States must be referred,We, the people of Éire, Humbly acknowledging all our obligations to our Divine Lord, Jesus Christ, Who sustained our fathers through centuries of trial, (…) Do hereby adopt, enact, and give to ourselves this Constitution

Der irische Präsident muss nach Art. XII 8 seinen Amtseid von Verfassung wegen „in the presence of Almighty God“ schwören, was jeden Atheisten von diesem Amt ausschließt. Das gleiche gilt für Richter (Art. XXXIV 5).

Aber die Iren verlieren ihren Humor nicht so leicht. Eine Gruppe irischer Atheisten hat jetzt auf einer Website 25 angeblich blasphemische Zitate gepostet, zwei davon von Jesus, eines von Mohammed, nach dem Motto: Verklagt uns doch.

In der Tat: Es gibt ja glücklicherweise noch den EGMR in Straßburg. Der hat ja erst vor kurzem in punkto Kruzifix Mannesmut vor Pfaffenthronen bewiesen.

Update: In den USA schüttelt selbst die religiöse Rechte (evangelikal und antikatholisch) über das irische Gesetz den Kopf.

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