21. Januar 2014

Maximilian Steinbeis

Keine Meinungsfreiheit für Troll-Journalismus

Erinnert sich noch jemand an Gabriele Pauli? Passend zum Start der neuen Dschungelcamp-Staffel erinnert uns heute ein Kammerbeschluss aus Karlsruhe an die einstige „CSU-Rebellin“ und Stoiber-Stürzerin und daran, wozu wir als kollektive Bildzeitungsleser- und RTL-Gucker-Öffentlichkeit so alles fähig sind.

Bild-Kolumnist Franz-Josef Wagner hatte damals eine seiner „Post-an…“-Kolumnen über Paulis Latex-Fotos verfasst, ein Text von einer Ekligkeit, vor der alle derzeit auf RTL gezeigte Kakerlakenkotze verblasst. Darin beschrieb er Pauli als „durchgeknallte Frau“ und schob ihr zur Erklärung ihres Verhaltens allerlei unter, was ich hier nicht wiedergeben will.

Pauli versuchte vergebens, sich gerichtlich zu wehren, und das hat jetzt die 3. Kammer des Ersten Senats auf den Plan gerufen: Die ruft dem OLG München die Existenz der Schranken des Art. 5 GG ins Gedächtnis. Die Meinungsfreiheit von BILD.de und Wagner gibt ihnen nicht das Recht, mit dem Kaminbesteck im Seelen- und Sexualleben Dritter herumzuoperieren.

Damit grenzt die Kammer diesen Fall von dem Sachverhalt eines Beschlusses von 2009 ab, wo das BVerfG die Bezeichnung „durchgeknallt“ noch als von der Meinungsfreiheit gedeckt hatte durchgehen lassen. Damals ging es um ZEIT-Mitherausgeber Michael Naumann, der sich in einem Fernsehinterview über die Ermittlungen gegen Michel Friedman dazu hatte hinreißen lassen, einen Staatsanwalt als „durchgeknallt“ zu bezeichnen.

Durchgeknallt ist aber nicht gleich durchgeknallt, und Naumann ist nicht gleich Wagner. Man müsse berücksichtigen, so die Kammer,

dass es sich vorliegend um einen bewusst geschriebenen und als Verletzung gewollten Text handelt, der nicht Ausdruck einer spontanen Äußerung im Zusammenhang einer emotionalen Auseinandersetzung ist.

Von Auseinandersetzung könne ohnehin gar keine Rede sein:

Die Beklagte verschiebt mit ihrem Text die öffentliche Auseinandersetzung um die Person der Beschwerdeführerin in dem inkriminierten Absatz hin zu rein spekulativen Behauptungen über den Kern ihrer Persönlichkeit als Privatperson. Sie stützt diese auf Beurteilungen, die thematisch den innersten Intimbereich betreffen, ohne dass diese Spekulationen irgendeinen Tatsachenkern hätten.

Das scheint mir eine schöne Definition des Trolls zu sein. Jedenfalls einen Teilabschnitt dieses unerfreulichen Phänomens des Online-Journalismus trifft diese Passage sehr präzise: Wagner trollt. Zwar nicht unter dem Schutzmantel der Anonymität, aber dafür unter dem des Zerrbilds vom versoffenen Genie. Den Schutz der Meinungsfreiheit sollte man Trollen nicht auch noch umhängen.

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