3. Mai 2023

Joachim Wieland

Landesrecht bricht Bundesrecht

Warum der Cum-Ex-Untersuchungsausschus des Bundestags gegen die bundesstaatliche Ordnung verstoßen würde

Der von der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag beantragte Cum-Ex-Untersuchungsausschuss soll das Handeln von Bundeskanzler Scholz als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg bei der Anwendung von Bundesrecht prüfen (BT-Drs. 20/6420, S. 3). Das wirft zwei grundsätzliche Fragen auf: Ist eine Landesregierung für ihr Handeln bei der Anwendung von Bundesrecht dem Bundestag verantwortlich? Darf der Bundestag das Handeln einer Landesregierung kontrollieren? Beide Fragen sind im Bundesstaat des Grundgesetzes mit Nein zu beantworten.

Bund und Länder sind Staaten. Sie verfügen über ihre jeweils eigene demokratische Ordnung. Das Landesvolk legitimiert durch Wahlen die Organe des Landes, das Bundesvolk die des Bundes. Eine Landesregierung muss sich gegenüber ihrem Landtag verantworten, die Bundesregierung gegenüber dem Bundestag. Untersuchungsausschüsse sind die schärfsten Waffen der Parlamente, insbesondere der parlamentarischen Opposition, gegenüber Regierung und Verwaltung. Auch Untersuchungsausschüsse als wirksame Kontrollorgane verfügen aber lediglich über von ihrem Parlament abgeleitete Befugnisse. Diese reichen nur so weit wie die jeweilige Staatlichkeit von Bund und Ländern. Weder darf ein Land wie Bayern das Handeln der Bundesexekutive untersuchen noch der Bund das Handeln eines Landes. Ein Untersuchungsverfahren im Bund ist dementsprechend gemäß § 1 Abs. 3 PUAG nur zulässig im Verantwortungsbereich des Bundestages und nicht im Verantwortungsbereich eines Landtags. Deshalb verstößt der Untersuchungsauftrag, den die Fraktion der CDU/CSU beantragte und der sich auf die Anwendung von Bundesrecht in der Finanzverwaltung Hamburgs bezieht, gegen die bundesstaatliche Ordnung.

Anwendung von Bundesrecht im Auftrag des Bundes

Auch wenn die Länder Gesetze des Bundes im Auftrag des Landes anwenden, üben sie Landesstaatsgewalt aus. Das hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt (BVerfGE 81, 310, 331). Auch das Handeln der Länder im Auftrag des Bundes bleibt Handeln des Landes und wird gegenüber dem jeweiligen Landesparlament verantwortet. Der Bundestag und seine Untersuchungsausschüsse sind darauf beschränkt, die Ausübung der Rechte, die Art. 85 GG dem Bund einräumt, durch Organe des Bundes zu kontrollieren. Dass die Länder Bundesrecht unter der Aufsicht oder im Auftrag des Bundes vollziehen, ändert nichts daran, dass der Verwaltungsvollzug in ihrer Zuständigkeit erfolgt. Diese Zuständigkeit für die Verwaltung und den Vollzug von Bundesrecht prägt die deutsche bundesstaatliche Ordnung, macht die Länder aber nicht zu Vollzugsorganen des Bundes und unterstellt ihre Regierung und ihre Verwaltung nicht der Kontrolle des Deutschen Bundestages. Auch für den Bereich der Auftragsverwaltung im Steuerrecht gemäß Art. 108 Abs. 3 GG sind die Befugnisse des Bundes auf die Instrumente des Art. 85 GG beschränkt. Aufsichts- und Weisungsrechte des Bundes ändern nichts an der Wahrnehmungsbefugnis der Länder. Nur ihre Ausübung durch Bundesorgane kann zum Gegenstand des Auftrags eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags gemacht werden.

Unproblematische Staatspraxis

Dass diese Kompetenzabgrenzung funktioniert, zeigt der Untersuchungsausschuss, den die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg zum praktisch gleichen Thema eingerichtet hat. Die skandalösen Cum-Ex-Geschäfte, die Milliardenschäden der öffentlichen Hand verursacht haben, sind Gegenstand einer Parlamentarischen Untersuchung in Hamburg, die zu den eingeleiteten Strafverfahren hinzutritt und so für Transparenz sorgt. Eine Durchbrechung der bundesstaatlichen Ordnung ist zur Durchsetzung der politischen Verantwortlichkeit und zur Herstellung von Transparenz nicht notwendig. Dass auch diese Aufklärungsbemühungen nicht immer zu befriedigenden Ergebnissen führen, ist bedauerlich, liegt aber in der Natur der Sache. Untersuchungsausschüsse sind ein politisches Kampfinstrument der Opposition. Auch wenn dieses Instrument geschickt eingesetzt wird, werden regelmäßig nicht alle offenen Fragen geklärt. Die abschreckende Wirkung solcher Ausschüsse ist trotzdem beachtlich und ihre generalpräventive Funktion nicht zu unterschätzen. Die bundesstaatliche Ordnung ist jedenfalls nicht dafür verantwortlich, dass nicht immer vollständige Transparenz hergestellt werden kann. Untersuchungsausschüsse von Landesparlamenten sind nicht weniger wirkungsmächtig als Untersuchungsausschüsse des Bundes. Sie verfügen über vergleichbare Kompetenzen. Ist ihr Ergebnis aus Sicht der Antragsteller unbefriedigend, kann das nicht über eine Wiederholung eines Untersuchungsverfahrens auf Bundesebene korrigiert werden. Untersuchungsausschüsse des Bundes sind keine Revisionsinstanz gegenüber Untersuchungsausschüssen der Länder zum gleichen Thema.

Was daraus folgt

Der Geschäftsordnungsausschuss des Bundestags, an den der Antrag der CDU/CSU-Fraktion überwiesen worden ist, wird den Untersuchungsauftrag und die Untersuchungsfragen auf die Zuständigkeit des Bundes im Sinne von § 1 Abs. 3 PUAG beschränken müssen. Zulässig sind die Fragen, die sich auf das Handeln von Bundesorganen beziehen. Das sind etwa die Fragen 11 und 12 des Antrags, die sich auf die Kommunikation zwischen der Bundesregierung oder Bundesministerien mit der Warburg Bank bzw. mit Mitgliedern des hamburgischen Senats beziehen. Zulässig ist auch Frage 18, welche die Informationsarbeit von Bediensteten der obersten Bundesbehörden gegenüber der Öffentlichkeit und dem Bundestag betrifft. Bei der Bundesauftragsverwaltung ist das Handeln eines Landes demgegenüber nur indirekt Gegenstand einer Untersuchung durch den Bund, nämlich als Bezugspunkt von Weisungen der Bundesregierung, deren Aufsicht sich gemäß Art. 85 Abs. 5 GG auch auf die Zweckmäßigkeit und nicht nur die Rechtmäßigkeit der Ausführung der Bundesgesetze erstreckt.

Unzulässig sind dagegen Fragen, die das Handeln von Regierung und Finanzverwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg zum Gegenstand haben. Insoweit ist das Schwert eines Untersuchungsausschusses des Bundes stumpf. Scharf ist aber das Schwert eines Untersuchungsausschusses des Landes. Das spiegelt die Kompetenzordnung des Bundesstaats wider. Untersuchungsausschüsse eines Landes sind nicht nach-, sondern gleichrangig gegenüber einem Untersuchungsausschuss des Bundes.

Unzulässige Fragen dürfen nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Zweifelsfragen über die Zulässigkeit der Erhebung von Beweismitteln muss die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs im Verfahren nach § 17 PUAG unter Beachtung der bundesstaatlichen Kompetenzabgrenzung entscheiden. Die Freie und Hansestadt Hamburg kann sich nötigenfalls im Verfahren des Bund-Länder-Streits gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG gegen eine Verletzung ihrer staatlichen Selbständigkeit wehren.

Schreibe einen Kommentar