20. Dezember 2010

Maximilian Steinbeis

Mellinghoff als nächster BFH-Präsident?

Wie man hört, soll Rudolf Mellinghoff, Richter am BVerfG, den Spitzenposten im obersten deutschen Finanzgericht übernehmen. Die Sache sei noch nicht ganz entschieden, aber es laufe auf ihn zu.

Damit würde schon wieder in Karlsruhe ein Posten frei. Der Post-Lissabon-Umbau des Zweiten Senats könnte weitergehen.

Mellinghoffs Amtszeit endet regulär im Januar 2013. Aber der amtierende BFH-Präsident Wolfgang Spindler wird, wenn ich mich nicht verrechnet habe, nächstes Jahr 65. Also könnten wir uns schon 2011 auf eine weitere Karlsruhe-Personalie freuen.

Mellinghoff kommt vom Bundesfinanzhof, insofern macht das schon Sinn. Und er wird bestimmt die von Spindler begründete Tradition weiterführen, mit großer Penetranz die Vereinfachung des Steuerrechts anzumahnen (und dafür vom Bundesfinanzminister durch Nichtanwendungserlasse marginalisiert zu werden).

Als Karrierepfad ist der Schritt vom BVerfG-Richter zum Präsidenten eines obersten Bundesgerichtes auch nicht vorbildlos: Thomas Dieterich verkürzte 1994 seine Amtszeit als BVerfG-Richter um fünf Jahre, um BAG-Präsident werden zu können.

Was von den „Lisbon Seven“ übrig blieb

Die Meldung leuchtet aber auch aus ganz anderer Perspektive ein: Einen der Mehrheitsrichter des Lissabon-Urteils vorzeitig loszuwerden, ist für die Bundesregierung allemal ein höchst plausibler Gedanke.

Seit Honeywell hat die Frage, ob Karlsruhe sich zum Desintegrationsmotor Europas machen will, zwar etwas an Brisanz verloren. Aber mit den Verfahren zum Griechenland-Bailout und zum Euro-Rettungsschirm hängen weiterhin zwei gut geschliffene Damoklesschwerter über den schwarz-gelben Häuptern, um deren stabile Aufhängung sich die Koalitionäre durchaus Sorgen machen sollten.

Dass Schwarz-Gelb mit Karlsruher Personalien umzugehen weiß, um seine Europapolitik abzustützen, hat man schon bei der Ernennung von Andreas Voßkuhle zum Präsidenten des BVerfG beobachten können.

Peter Müller, der fröhliche Schachspieler aus dem frankophilen Saarland, wird nächstes Jahr Di Fabios Sessel einnehmen und wird dort bestimmt nicht versuchen, sich als euroskeptischer Wüterich zu profilieren.

Dann wären von den „Lisbon Seven“ nur noch Landau und Lübbe-Wolff übrig, von den wirklichen Hardlinern nur noch Landau.

Wobei man noch nicht weiß, wie die Neuen ticken, Huber und Hermanns. Huber zumindest ist als Wissenschaftler nicht für übertriebenen Mehrebenenenthusiasmus bekannt, gilt aber auch unter Europarechtlern als vernünftiger Mann.

Peter Müller: Kann man machen

Ein Wort noch zu Peter Müller und der Frage, ob ich mich darüber aufregen soll, dass ein CDU-Ministerpräsident Verfassungsrichter wird.

Wir haben im künftigen Zweiten Senat drei Staatsrechtslehrer (Voßkuhle, Lübbe-Wolff, Huber) und vier Bundesrichter (Mellinghoff, Gerhardt, Landau, Hermanns), darunter jeweils einer (Huber, Landau) als Hybrid-Wissenschaftler-Politiker bzw. -Richter-Politiker.

Das sind die drei klassischen Karrierepfade nach Karlsruhe: Die Profs sorgen für Anschlussfähigkeit zur Wissenschaft, die Richter zur Justiz – und die Politiker halt zur Politik.

Wenn jetzt ein Politiker-Politiker dazukommt, kann ich daran nichts fundamental Schlimmes finden.

Wenn Merkel jetzt, sagen wir, Ronald Pofalla nach Karlsruhe schicken würde, als Aufpasser und U-Boot und mit klarem politischem Auftrag, dann wäre das was anderes.

Aber Peter Müller? Der ist ein gescheiter Mann, der sich – wer will es ihm verdenken – in seinem saarländischen Landratsamt krumm und dumm langweilt.

Er steht Angela Merkel zwar nahe, aber nicht in ihrer Schuld. Er hat Wahlkämpfe geführt und gewonnen – Kenntnisse, die er in Karlsruhe zwar nicht unmittelbar brauchen kann, die aber auch nichts schaden, wenn man sich mal von seinen deutsch-bürgerlichen Reflexressentiments gegen Parteipolitik frei macht.

Also, ich quieke zwar nicht vor Begeisterung, aber aufregen kann ich mich über den Vorgang auch nicht wirklich.

Warum kein Anwalt?

Wenn man sich schon unbedingt aufregen will, dann über zwei ganz andere Dinge:

Da ist zunächst das Verfahren der Richterwahl. Dazu ist schon viel gesagt worden, auch von mir, aber der Skandal ist ungebrochen. Dass wir es uns seit so vielen Jahrzehnten gefallen lassen, diese Personalien als Ergebnis eines derart intransparenten Kohlenkellerverfahrens präsentiert zu bekommen, wo man nicht einmal offiziell weiß, wer da wo mit wem zusammensitzt und Personal-Maumau spielt – das fällt als unsere eigene Schande auf uns selbst zurück.

Der zweite Punkt: Die Anwaltschaft hat es wieder nicht geschafft, dafür zu sorgen, dass endlich mal wieder ein Anwalt in Karlsruhe vertreten ist.

Das ist schwach, liebe Freunde von der Bundesrechtsanwaltskammer und vom Deutschen Anwaltverein.

Wie lang ist das her, dass unter den Richtern des Bundesverfassungsgericht ein Rechtsanwalt saß?

Bei Redeker und bei Oppenländer sitzen ein paar, die brauchen sich, was Reputation und Sachkunde betrifft, hinter keinem Lehrstuhlinhaber zu verstecken.

Vielleicht wird ja bei der Mellinghoff-Nachfolge was draus.

Foto: Evilboy, Wikimedia Commons

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