16. September 2014

Anna von Notz

Mit Netz und doppeltem Boden – Beamte in der Politik

Am vergangenen Freitag ist Waltraud (genannt Wara) Wende nach nur gut zwei Jahren vom Amt der Ministerin für Bildung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein zurückgetreten. Als Grund nannte sie die Belastung durch die gegen sie laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlung. Diese war ausgelöst worden durch einen Beschluss des Präsidiums der Universität Flensburg, auf den Wende noch als deren Präsidentin hingewirkt hatte und der ihr zusicherte, im Anschluss an ihr Ministeramt an die Universität Flensburg zurückkehren können – eine Art Versicherung gegen die Risiken des volatilen Politikbetriebs.

Nachdem diese Rückkehroption im Frühjahr bekannt geworden war, erhob sich heftige Kritik – der Landtag traf sich zu einer Aktuellen Stunde und die Opposition forderte die Entlassung der parteilosen Ministerin. Der Vorwurf: Eine Wissenschaftsministerin, die sich auf diese Art selbst bediene, könne ihr Amt als Gesprächspartnerin der Hochschulen nicht mit der nötigen Objektivität ausüben.

Aber handelte es sich hier tatsächlich um einen ungewöhnlichen, ja skandalösen Vorgang?

Auf den ersten Blick keineswegs. Rückkehroptionen sind im Beamtenrecht allgegenwärtig – und gelten für den Lehrer, der ein Abgeordnetenmandat erringt, ebenso wie für Professorinnen, die ein Ministeramt übernehmen. Für die Dauer des Mandates bzw. Regierungsamtes wird der Beamte ohne Bezüge beurlaubt, die Rechte aus dem Beamtenverhältnis ruhen (§ 5 AbgG, § 18 I BundesministerG,  § 3 I Landesministergesetz Schleswig-Holstein, § 40 BBG). Endet die Mitgliedschaft im Parlament bzw. in der Regierung, hat der Beamte das Recht, in das Dienstverhältnis zurückzukehren (§ 6 I AbgG, § 18 II BundesministerG, § 3 II LandesministerG SH) – und zwar in einer dem zuletzt bekleideten Amt gleichwertigen Laufbahn.

In einem so unsteten Geschäft wie der Politik ist eine solche Rückfahrkarte von großem Vorteil, denn die Entscheidung für ein politisches Amt oder Mandat ist mit einem nicht zu unterschätzenden Risiko verbunden: Zwar ist die durchschnittliche Verbleibdauer im Deutschen Bundestag mittlerweile auf gut 10 Jahre (2,6 Legislaturperioden) gestiegen, viele Parlamentarierinnen scheiden aber wieder aus, bevor sie das Eintrittsalter für die Altersentschädigung (65 bzw. 67 Jahre, § 19 AbgG) erreichen, und der durchschnittliche Bundestagsabgeordnete dürfte sich auch nicht darauf verlassen können, dass im Anschluss an sein Mandat ein lukrativer Aufsichtsrats- oder Vorstandsposten lockt. Beamtinnen und Beamte müssen sich hingegen keine Zukunftssorgen machen – ihr finanzielles Auskommen ist auch nach Ende der politischen Laufbahn gesichert. Vor diesem Hintergrund dürfte es kein Zufall sein, dass sie aktuell mit fast 30% die größte Berufsgruppe im Deutschen Bundestag stellen.

Wenn es sich aber um einen so alltäglichen Vorgang handelt, warum ermittelt die Staatsanwaltschaft?

Bei der ehemaligen Ministerin aus Schleswig-Holstein lag der Fall etwas anders: Sie war bis zu ihrem Eintritt in die Landesregierung zwar Präsidentin der Universität Flensburg, ordentliche Professorin aber war sie nicht in Flensburg, sondern im niederländischen Groningen. Mit Rücktritt von ihrem Präsidentenamt, das in der Folge neu besetzt wurde, bestand mit der Universität Flensburg folglich kein Beamtenverhältnis mehr, das während ihrer Regierungszugehörigkeit ruhen und danach wieder aufleben konnte (§ 3 II LandesministerG SH i.V.m. § 23 VII HochschulG). Der Präsidiumsbeschluss der Universität Flensburg war folglich nicht Ausdruck der beamtenrechtlichen Rückkehroption, sondern sicherte ihr eine Position, die sie zuvor nicht innehatte.

Dabei steht der Verdacht im Raum, dass Frau Wende im Gegenzug zu dem ihr gewährten Rückkehrrecht den Kanzler der Universität Flensburg, Frank Kupfer, zur Wiederwahl vorgeschlagen hat – also Vorteil gegen Vorteil geflossen ist. Die Staatsanwaltschaft ermittelt sowohl gegen Frau Wende als auch gegen Herrn Kupfer wegen des Verdachts der Bestechung und der Bestechlichkeit. Gegen die ehemalige Universitätspräsidentin steht ferner der Verdacht des Betruges im Raum, weil sie gegenüber dem für die Rückkehroption zuständigen Senat der Universität unzutreffende Angaben gemacht haben soll. Im August wurden u.a. das Ministerium und das Privathaus Wendes durchsucht. Unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen wird Wara Wende wohl nicht an die Universität Flensburg zurückkehren. Schon im April diesen Jahres hatte sie auf ihre Rückkehroption verzichtet (zur Chronologie der Ereignisse s. hier).

Bleibt die Frage, wie mit Rückkehroptionen im Allgemeinen umzugehen ist. Zumindest für den parlamentarischen Betrieb gilt: Die Offenlegungspflichten für Abgeordnete nach §§ 44a IV, 44b AbgG sollten um eine allgemeine Pflicht, auch Rückkehroptionen offenzulegen, ergänzt werden. Bisher gilt eine solche nur für Vereinbarungen, wonach dem Abgeordneten nach der Beendigung der Mitgliedschaft bestimmte Tätigkeiten übertragen werden sollen, d.h. vertragliche Rückkehrrechte. Beamtenrechtliche Rückkehroptionen sind hingegen nur mittelbar dadurch erkennbar, dass die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit angezeigt werden muss (anders aber etwa in Niedersachsen, wo eine Offenlegungspflicht auch für gesetzliche Rückkehroptionen besteht, § 27 VI Niedersächsisches Abgeordnetengesetz).

Uninteressierte, interessen-freie Politiker sind weder wirklichkeitsnah noch wünschenswert, aber die Wählerinnen und Wähler sollten mögliche Interessenkonflikte und Abhängigkeiten zumindest erkennen können – das stärkt das Vertrauen in den einzelnen Abgeordneten und die parlamentarische Demokratie insgesamt (so schon das BVerfG im Diätenurteil von 2007). Schließlich ist eine solche Offenlegungspflicht auch im Sinne der Gleichheit der Abgeordneten untereinander geboten: veröffentlichungspflichtige Nebentätigkeiten sind ebenso eine Versicherung für die Zeit nach der Politik wie Rückkehroptionen – dass Letztere Erstere unnötig machen, sollte verbeamteten Politikerinnen nicht zum Vorteil gereichen.

 

 

 

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