Wie erwartet hat der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am Dienstag den Antrag des Bundesrates, die NPD zu verbieten, einstimmig zurückgewiesen. Die Richter zeigten zugleich einen Weg auf, bestimmten Verfassungsfeinden dennoch den staatlichen Geldhahn abzudrehen. Alle Demokraten sollten sich diesen Weg genauer ansehen.
In ihrem Urteil stellten die Richter zunächst die Verfassungsfeindlichkeit der NPD fest. Deren politisches Konzept eines auf eine ethnische Volksgemeinschaft ausgerichteten autoritären Nationalstaates missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar. Ein Verbot scheiterte jedoch an der fehlenden „Potentialität“, mit anderen Worten an der mangelnden Realisierungsmöglichkeit dieser verfassungsfeindlichen Ziele im politischen Wettbewerb. Ganz maßgeblich orientierten sich die Richter mit ihrem Grundsatzurteil am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der in seiner Rechtsprechung für ein Parteiverbot eine reale Chance zur Verwirklichung politischer Veränderungen fordert. Aus ebendieser Quelle stammt wohl auch der – nicht gerade versteckte – Appell der Richter an den verfassungsändernden Gesetzgeber, andere Sanktionsmöglichkeiten zu überdenken, die unterhalb der Ebene des Parteiverbots liegen. Das ist keine ganz neue Idee. In Deutschland kommt sie aus der Zeit nach dem ersten NPD-Verbotsverfahren und wird nun eine Wiederbelegung erfahren.
Das so genannte Parteienprivileg des Art. 21 GG entfaltet bisher eine doppelte Sperrwirkung. Ein Parteiverbot kann nur durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden. Anderweitige Sanktionen – wie beispielsweise die Streichung der staatlichen Parteienfinanzierung – sind solange untersagt, wie ein solches Verbot nicht ausgesprochen ist. Das muss nicht für immer so bleiben. Eine Kürzung oder Streichung finanzieller Mittel für verfassungsfeindliche, aber (noch) nicht verbotene Parteien ist zwar nach der geltenden Verfassungslage ausgeschlossen, könnte aber durch eine Verfassungsänderung möglich werden. Selbstverständlich wäre hier wie bei jeder Verfassungsänderung größte Sorgfalt geboten. Ein solcher, gangbarer Weg könnte – grob skizziert – wie folgt aussehen:
Neben dem Parteiverbot könnte in Art. 21 Abs. 2 GG, quasi als milderes Mittel, ein zweiter Fall geregelt werden. Für diesen wäre nicht erforderlich, dass eine als verfassungsfeindlich erkannte Partei eine reale Chance zur Verwirklichung ihrer Ziele (sog. Potentialität in der Sprache des Bundesverfassungsgerichts) hat. An dieser Voraussetzung scheiterte bekanntlich der letzte NPD-Verbotsantrag. Im Übrigen entsprächen die Kriterien des zweiten Falls denen des Parteiverbots. Seine rechtliche Folge wäre eine Streichung oder Kürzung der staatlichen Teilfinanzierung. Um dem politischen Missbrauch entzogen zu sein, müsste eine solche Entscheidung ebenfalls durch das Bundesverfassungsgericht oder das Bundesverwaltungsgericht getroffen werden.
Verfassungsrechtlich wäre ein solcher Weg wohl möglich. Das Grundgesetz billigt den Parteien einen Anspruch auf staatliche „Teilfinanzierung“, wie es im Fachjargon heißt, nicht zu. Im Gegenteil: Wie schon der Begriff „Teilfinanzierung“ aus dem Parteiengesetz verdeutlicht, müssen sich die Parteien ihren Charakter als frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen bewahren, sie müssen sich selbst (mit-)finanzieren. Das Grundgesetz hat ihnen das Risiko des Fehlschlagens eigener Bemühungen um ihre Finanzierung nicht abgenommen. Der Grundsatz der Staatsferne verlangt vielmehr, dass die Parteifinanzierung nicht zu einer Abhängigkeit vom Staat führt.
Die verfassungsrechtliche Frage ist im Kern eine Frage der Gleichbehandlung, die wegen des politischen Wettbewerbs in der Demokratie auch und insbesondere für Parteien gilt. Kann der Staat die Finanzierung einer verfassungsfeindlichen Partei, ohne dass sie verboten wäre, einstellen? Grundsätzlich „ja“, lautet die Antwort der Verfassungsrichter. Fragt sich „bloß“, welche Voraussetzungen eine solche Regelung berücksichtigen müsste.
Jedenfalls bedarf es für eine Ungleichbehandlung bei der staatlichen Parteienfinanzierung eines triftigen Grundes mit Verfassungsrang. Dieser läge in der höchstrichterlich festgestellten Verfassungsfeindlichkeit als Ausdruck einer wehrhaften Demokratie, die ihre Feinde zwar nicht unbedingt verbietet, sie aber auch nicht finanziert. Eine solche Regelung freilich, sie bedürfte als Verfassungsänderung einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Zeit für alle Demokraten, sich zusammenzuraufen.