Das Arbeitsgericht Stuttgart hat entschieden, dass eine abgelehnte Bewerberin aus Ostdeutschland sich auch dann nicht auf das Antidiskriminierungsgesetz berufen kann, wenn sie wegen ihrer Herkunft als „Ossi“ abgelehnt wurde. Argument: Verboten sei nur eine Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft. Und die Ostdeutschen seien ja wohl keine eigene Ethnie, oder?
Auf den ersten Blick scheint das auf der Hand zu liegen: Wir sind doch alle Deutsche, ob aus Bayern oder aus Brandenburg. Das ist unsere ethnische Herkunft, was sonst.
Auf den zweiten dagegen deutlich weniger.
Was heißt überhaupt ethnisch?
Ethnische Herkunft ist kein einfacher Begriff. Was ist damit gemeint? Schon mal auf jeden Fall nicht Staatsangehörigkeit. Auch nicht Volkszugehörigkeit im rassistischen Sinne von Blutsverwandtschaft und Abstammungsgemeinschaft.
Ethnische Herkunft kann nur heißen, dass man einer Gruppe angehört, sich als zusammengehörig und von Anderen unterschieden empfindet.
Auf einer faktischen Ebene kann man darüber bestimmt streiten. Die Ossis, die ich kenne, empfinden sich, soweit ich weiß, im Regelfall nicht als besonders zusammengehörig durch ihre Herkunft.
Aber selbst wenn: Für das Arbeitsgericht kam es (soweit ich sehen kann; ich kenne nur den FAZ-Bericht dazu) darauf offenbar gar nicht an. Regionale Herkunft, so sein Argument, sei keine ethnische Herkunft. Das sei ganz etwas anderes, und nur die Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft sei verboten.
Die Unterscheidung leuchtet mir nun nicht besonders ein. Wie will man das denn auseinanderhalten?
Der Reflex, keine ethnische Binnendifferenzierung in Deutschland zuzulassen, und schon gar nicht zwischen Ost- und Westdeutschen, hat sicher seine guten historischen Gründe: Deutschland war bekanntlich ein ethnisches Gebilde, lange bevor es zu einem staatlichen wurde. Und ohne die ethnische Klammer, mit der das Grundgesetz über 40 Jahre Ost- und Westdeutsche in einer Verantwortungsgemeinschaft zusammenhielt, wäre es wohl nicht zur Wiedervereinigung gekommen.
Was sagt uns das heute?
Von Bayern und vielleicht Sachsen mal abgesehen, eine Länder-Ethnizität, die mehr als folkloristische Bedeutung hätte, gibt es doch längst nirgens mehr. Und die Klammer des Grundgesetzes in der Präambel und in Artikel 23 hat sich mit der Wiedervereinigung auch erledigt, vor mittlerweile doch immerhin 20 Jahren.
Ein Deutscher kann verbotenerweise als Deutscher diskriminiert werden, und ein Ostdeutscher als Ostdeutscher nicht? Ich kann dafür keinen vernünftigen Grund erkennen.