Darf der Staat sagen: Du siehst aus wie ein Ausländer, zeig mal deine Papiere? Darf er seine Bürger nach ihrer Hautfarbe diskriminieren? Darf er nach Kriterien handeln, die man schwer als etwas anderes als rassistisch bezeichnen kann?
Klar, sagt das Verwaltungsgericht Koblenz. Überhaupt kein Problem. Alles total rechtmäßig.
Gestern hatte das VG über die Klage eines Mannes zu entscheiden, der von Bundespolizisten in einem Zug nach seinen Papieren gefragt worden war. Aus der dürren Pressemitteilung geht nur so viel hervor, dass es zum Streit kam. Die Grenzschützer durchsuchten seinen Rucksack und nahmen ihn mit auf die Wache, und jetzt hat er ein Strafverfahren wegen Beleidigung an der Hacke.
Man kann sich vorstellen, was sich da wohl abgespielt hat: Der Mann sitzt im Zug und denkt an nichts Böses. Die Tür geht auf, zwei stramme Uniformierte betreten den Waggon und lassen ihre Blicke schweifen. Er bleibt an unserem Mann hängen: Der da, der Dunkle. Der ganze Waggon folgt ihren Blicken: Aha. Den da suchen sie. Was der wohl ausgefressen hat?
Sie treten auf ihn zu, bauen sich auf vor ihm: Ihre Papiere, bitte. Der Mann, beschämt und gedemütigt, begehrt auf. Warum schon wieder ich? Warum lassen sie all die Rosafarbenen im Waggon in Ruhe und behelligen ausgerechnet mich? Er spürt, dass die beiden Uniformierten nur darauf warten, dass er renitent wird, aber er kann nicht anders. Er will sich nicht demütigen lassen. Und schwups, findet er sich auf der Wache wieder, und anschließend vor dem Strafrichter. Hat er wirklich „Ihr Rassistenschweine!“ geschrien, als sie ihn packten und aus dem Waggon zerrten? Er weiß es nicht mehr. Aber es könnte schon sein.
So stelle ich mir das vor. Vielleicht war es anders. Vielleicht nicht.
Die Pressemitteilung lässt nicht erkennen, ob sich die Koblenzer Verwaltungsrichter mit Art. 3 III GG auseinandergesetzt haben. Dort heißt es lapidar:
Die einschlägigen Vorschriften verpflichteten die Beamten der Bundespolizei, bei einer Kontrolle entsprechende Lageerkenntnisse und einschlägige grenzpolizeiliche Erfahrung zugrunde zu legen. Hierdurch werde willkürliches Vorgehen ausgeschlossen. Nach den polizeilichen Erkenntnissen würden die Nahverkehrszüge auf der Strecke, die der Kläger gefahren sei, für die unerlaubte Einreise und zu Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz genutzt. Dies berechtige die Bundespolizei dazu, die in den Zügen befindlichen Personen verdachtsunabhängig zu kontrollieren. Aus Gründen der Kapazität und Effizienz sei die Bundespolizei auf Stichprobenkontrollen beschränkt. Deswegen dürften deren Beamte die Auswahl der anzusprechenden Personen auch nach dem äußeren Erscheinungsbild vornehmen.
In Staaten mit längerer Erfahrung als Einwanderungsländer gehört Racial Profiling zu den heißesten Grundrechtseisen überhaupt. In den USA tobt derzeit ein Streit um ein Gesetz des Staates Arizona, das es erlaubt, jeden Beliebigen zu kontrollieren, ob er oder sie ein illegaler Einwanderer ist – eine Einladung, Hispanics zu schikanieren.
Frankreich bekam im Januar von Human Rights Watch vordekliniert, welche Folgen die Praxis der französischen Polizei hat, permanent schwarze und arabische Jugendliche in den Banlieues zu kontrollieren, ganz egal, ob sie etwas getan haben oder nicht.
Ich hoffe, dass der Kläger aus Koblenz die Mittel dazu hat, seinen Fall bis vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen. Das würde mich wirklich interessieren, was Karlsruhe zu dem Thema zu sagen hat.
Foto: Vic Bonilla, Flickr Creative Commons