Articles for tag: ArbeitszwangArt. 12 GGAsylbewerberleistungsgesetzAsylrechtExistenzminimum

Arbeitspflicht, Arbeitszwang und Arbeitendürfen

Zurzeit wird dem Asylbewerberleistungsrecht eine bislang ungeahnte Aufmerksamkeit zuteil. Die aktuelle Debatte läuft darauf hinaus, Restriktionen vorzuschlagen, die in offenem Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Vorgaben stehen oder medienwirksam nach Gesetzesänderungen zu rufen, wenngleich die gewünschten Inhalte bereits gesetzlich normiert sind. Hier reiht sich der Vorschlag der Ministerpräsidentenkonferenz ein, Asylsuchende verstärkt zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen. Vier Anmerkungen zur gegenwärtig diskutierten „Arbeitspflicht“ für Asylsuchende.

Zwischen Symbolpolitik und Verschärfung

Vergangene Woche verständigte sich die Regierungskoalition auf ein Maßnahmenpaket zur Reform des Asylrechts, das medial vielfach unter dem Topos „schnellere Abschiebungen“ diskutiert wurde (siehe hier und hier). Die Änderungsvorschläge zeigen im Detail jedoch in sehr verschiedene Richtungen und enthalten sowohl Verschärfungen als auch punktuelle Erleichterungen. In Teilen sind sie rein symbolpolitischer Natur, enthalten aber auch spürbare Verschärfungen gegenüber Schutzsuchenden. Dabei simulieren die Vorschläge allerdings nur politische Handlungsfähigkeit und drohen gerade dadurch die Wahrnehmung politischer Lähmung zu verstärken.

Asylrechtliche Einzelfallgerechtigkeit und Demokratieprinzip

Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wurde eine Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs durch das Bundesverfassungsgericht auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüft. Nachdem die gegen die Verwerfung des Parité-Wahlrechts durch den Verfassungsgerichtshof eingelegte Verfassungsbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen wurde, wählte die 3. Kammer des Zweiten Senats nun die verfahrensrechtliche Alternative der Nichtannahme zur Entscheidung wegen Unbegründetheit. Das eröffnet die Möglichkeit, zu den wesentlichen Streitfragen auch inhaltlich Stellung zu nehmen.

Ein populistischer Taschenspielertrick

Am Sonntag fanden in Bayern und Hessen Landtagswahlen statt. Im Vorfeld der Wahl forderten konservative und liberale Parteien mit zunehmender Schärfe, Geflüchteten künftig verstärkt Sach- statt Geldleistungen zukommen zu lassen. Dabei handelt es sich um eine populistische Nebelkerze, denn diese Forderung ist rechtlich fragwürdig, impraktikabel und nicht sachgerecht. Wem dieser Diskurs genutzt hat, dürfte anhand der Landtagswahlergebnisse deutlich geworden sein.

Europe’s Faustian Bargain

On Thursday, news broke that the German government had agreed to incorporating the previously rejected Crisis Regulation into the EU’s new asylum and migration pact. The decision was a radical change of course since Germany had previously consistently opposed its inclusion. Framed as allowing for more ‘flexibility’ in case of migratory surges, the Crisis Regulation’s adoption will, in effect, suspend the EU asylum system as we know it for the time being, given that recorded sea arrivals are currently nearing the 2015 levels. A crisis in need of regulation, if you will. In this blogpost, I highlight the dangerous fallacy that underpins our tolerance for the illegality that has come to characterize contemporary border control. In particular, our failure to oppose the constant expansion of the limits of the law that occurs in the name of crisis and political necessity rests on the mistaken assumption that we have nothing to lose in this race to the bottom. 

Migrant Instrumentalisation: Facts and Fictions

The last two years have seen recurring efforts to introduce the concept of instrumentalisation of migration into EU asylum law on a permanent basis. This post will demonstrate why the ‘instrumentalisation of migration’ is an overly simplified and generalised term that does not capture the complexities of the situation on the ground. Its adoption into EU asylum law thus threatens both to undermine legal certainty and bear far-reaching consequences for the Rule of Law in the EU.

Schutzsuchende als Schleuser?

In Frankreich wurden am vergangenen Mittwoch zwei sudanesische Männer verhaftet, nachdem sie einige Tage zuvor ein Bootsunglück im Ärmelkanal knapp überlebt hatten. Für einen im Gegenzug reduzierten Preis sollen sie aktiv an der Überfahrt mitgewirkt haben. Strafbar als Schleuserei? Die Vorgaben aus dem Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und in gewissem Maße auch dem Pönalisierungsverbot der Genfer Flüchtlingskonvention setzen solchen Praktiken der Kriminalisierung von Flucht enge Grenzen.

Human Rights Violations to Deflect Refugees

The Council of the European Union (EU) recently reached a negotiating position (‘mandate’) on two significant elements of the ‘reform’ of the Common European Asylum System (CEAS). The vision hailed as a ‘historic’ agreement by national governments is a direct threat to the right to asylum. The Council not only maintains all structural flaws of the CEAS intact but proposes a quagmire of asylum procedures marred by unworkable, unnecessarily complex rules, that are in clear violation of key human rights standards.

In Search of (Ir)Responsibility

It is no secret that the eastern Mediterranean route linking Turkey with Greece is currently shifting. Due to the harsh conditions for asylum-seekers in Greece, Greek pushbacks, and border closures by the Balkan states, asylum-seekers have started to cross the eastern Mediterranean to reach Italy instead. This sea route is much longer, and therefore, more dangerous. In the Crotone shipwreck, at least 94 asylum-seekers died right in front of Italian shores. Recent investigative reports indicate that Italian maritime authorities and Frontex could have prevented these deaths. Building on these reports, this blogpost argues that Italian authorities and Frontex violated their legal search and rescue (SAR) obligations: Both authorities failed to adequately evaluate the case and initiate the urgently required rescue measures.

Grenzwertige Grenzverfahren

Am heutigen Donnerstag, den 8. Juni 2023 treffen sich die EU-Innenminister*innen, um eine Einigung über Teile der umstrittenen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu erzielen. Maßgeblich geht es darum, den Anwendungsberemich der problematische Grenzverfahren auszuweiten, die eine verkürzte Prüfung des Schutzanspruchs direkt an der Grenze vorsehen. Dieser Beitrag möchte eine kritische Perspektive auf die Reform und die begleitende Debatte werfen. Menschenrechte sind hier mehr als nur marginal berührt und es ist keine Übertreibung, wenn Kritiker*innen der Reform sich darauf berufen.