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Showdown zur Asylpolitik in Brüssel

In Brüssel beginnt in Kürze der Endspurt für die EU-Asylrechtsreform. Heftige Kritik erfährt hierbei die deutsche Verhandlungsposition. Nun könnte man die rhetorische Eskalation als typisches Phänomen des Twitter-Zeitalters abtun und meine Einwände – „BVerfG sieht es anders“ – als professorale Besserwisserei. Doch es geht um mehr: Die politische Mitte darf nicht die Fähigkeit verlieren, in der Migrationspolitik widerstreitende Zielvorgaben auszugleichen. Die pragmatische Lösungssuche droht zwischen den binären Alternativen faktisch offener Grenzen und einer gewaltsamen Abschottungspolitik zerrieben zu werden.

Trading Rights for Responsibility

The newly published compromise text of the Asylum Procedures Regulation (APR) suggests to render border procedures mandatory in some cases, while also permitting first-entry states to derogate from them once their “adequate capacity” is reached. This adaptable approach to the use of border procedures seeks to resolve a long-standing disagreement between central EU countries and first-entry states. While the former consider the obligatory use of border procedures necessary to prevent onwards or  ‘secondary’ movement of asylum-seekers, southern EU states argue that their mandatory use would place a further strain on their resources and overburden their capacities for processing asylum claims. This blogpost first explains the problems with border procedures, reviews their role in increasing responsibility of first-entry states, and explains why the new compromise Draft is unlikely to resolve the disagreement between first-entry states and other Members States.

Im asylrechtlichen Niemandsland zwischen Europa und Italien

Geflüchtete, für deren Asylanträge nach europäischem Recht grundsätzlich Italien zuständig wäre, können derzeit nicht dorthin überstellt werden – weil Italien die Rücknahme „vorübergehend“ eingestellt hat. Aus dem rechtlichen Niemandsland, in dem sich die Betroffenen dadurch befinden, müssen die Verwaltungsgerichte einen Ausweg finden. Doch das ist keine leichte Aufgabe.

Stille Revolution im Schatten des künftigen Punktesystems

Viele Betriebe suchen händeringend Personal. Noch vor Weihnachten beschloss die Bundesregierung deshalb ein Eckpunktepapier, das Innen- und Arbeitsministerium zwischenzeitlich in einen ersten Referentenentwurf übersetzten. Im Zentrum steht ein Punktesystem, das als „Potenzialsäule“ die Einreise zur Jobsuche ermöglicht. Ein Blick hinter die Kulissen des Entwurfs zeigt, dass eine zweite Neuerung mindestens ebenso wichtig ist. Versteckt in der Beschäftigungsverordnung findet sich ein neuer Zugangsweg für Menschen, die keine Uni- oder Berufsausbildung nach deutschen Standards absolvierten, aber aufgrund alternativer Kriterien dennoch als qualifiziert gelten. Diese „Erfahrungssäule“ könnte mehr Menschen anziehen als das Punktesystem und dürfte noch für manche Debatte sorgen.

Das Ende verstaatlichter Asylrechtsberatung in Österreich?

Vor knapp zwei Jahren kam es zu einem der größten Systembrüche im österreichischen Asylwesen. Die Rechtsberatung von Flüchtlingen, die bis dahin von nichtstaatlichen Organisationen verantwortet war, wurde einer Bundesagentur unter entscheidendem Einfluss des Innenministers übertragen. Nun wird diese Konstruktion vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) überprüft. Eine erste Einordnung.

Seven Months in the Freezing Forest

On 10 November 2022, Latvia extended the emergency situation at its border with Belarus for a further three months – now until February 2023. Introduced in August 2021 in response to the perceived ‘hybrid attack’ organised by Minsk, the state of emergency has since been renewed five times, effectively becoming a permanent condition. In practical terms that means that Latvia will continue carrying out systematic pushbacks – despite the very low number of border crossing attempts and allegations of gross violations of human rights.

Verschlusssache Lagebericht

In behördlichen und gerichtlichen Asylverfahren spielt die Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat eine wesentliche Rolle. Die dafür erforderlichen Tatsachen sind durch Behörden und Gerichte zu ermitteln, was sich jedoch schwierig gestaltet und vielfach in Kritik gerät. Dem Problem der Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung will die Bundesregierung nun mit einem Gesetzentwurf begegnen, der das Bundesverwaltungsgericht dazu ermächtigen soll, bei Divergenz selbst Tatsachen zu ermitteln und sogenannte Länderleitentscheidungen zu treffen. Damit bleibt jedoch ein Problem unangetastet.

Länderleitentscheidungen durch das Bundesverwaltungsgericht

Die Entscheidungspraxis in Asylverfahren ist sowohl beim BAMF als auch bei den Gerichten uneinheitlich. Dabei hängt nicht nur die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Antragsstellenden von den jeweiligen Entscheider*innen oder Richter*innen ab, sondern auch die Beurteilung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat. Die Bundesregierung schlägt nun vor, das Bundesverwaltungsgericht sogenannte Länderleitentscheidungen treffen zu lassen, ihm also eine Tatsachenkompetenz zu grundlegenden Fragen zu verleihen. Die hinter der Uneinheitlichkeit stehenden Probleme werden damit nur teilweise gelöst.

Why EU Countries Should Open Their Borders to Russian Draft-Evaders

In a significant escalation of his war in Ukraine, Russia’s President Putin announced a partial mobilisation on the 21st of September. Attempting to avoid the draft, thousands of Russian men are reported to be fleeing the country. Are EU countries obliged to grant asylum to Russians who are (pre-emptively) evading Putin’s draft?

Rückkehrhilfen gegen alsbaldige Verelendung

Rückkehrprämien werden in asylgerichtlichen Entscheidungen immer häufiger bei der Bewertung der Gefahr einer humanitären Notlage angeführt. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun den Volltext einer Grundsatzentscheidung zu diesem Thema veröffentlicht: Maßgeblich ist danach, ob Rückkehrhilfen eine „alsbaldige“ Verelendung verhinderten; eine nachhaltige Existenzsicherung sei unerheblich. Zugleich gesteht das Bundesverwaltungsgericht indirekt ein, dass die langfristige Wirkung der Hilfen berücksichtigt werden muss.