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Einmal Top, einmal Flop

Zu Beginn einer Pandemie ist vieles erlaubt – aber doch nicht alles. So lassen sich die ersten beiden Hauptsacheentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 22. November 2022 zu Coronamaßnahmen aus der Anfangsphase der Pandemie (hier und hier) grob zusammenfassen. Konkret ging es um Vorschriften der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung und der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Damit steht fest: Bayern hat im Überbietungswettkampf der Länder um die schärfsten Corona-Maßnahmen die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit überschritten.

Grenzenlose Vorverlagerung

Nach der Entscheidung des BVerfG zur "Bundesnotbremse" ist es verfassungsrechtlich zulässig, eine an sich ungefährliche Ausübung der körperlichen Bewegungsfreiheit zu verbieten, wenn dieses Verbot als Teil eines nicht offensichtlich wirkungslosen Gesamtkonzepts die Durchsetzung einer anderen Maßnahme des Gesundheitsschutzes erleichtert – und das unmittelbar per Gesetz, also ohne gerichtlichen Rechtsschutz. Kann das richtig sein – und wo führt das hin?

Doch eine ’self-executing‘ Ausgangssperre

Mit seinem Beschluss vom 19. November 2021 (Bundesnotbremse I) hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur die lange ersehnte Antwort auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen gegeben. Es hat sich zugleich zu der hoch umstrittenen Frage geäußert, ob die »Bundesnotbremse« Ausgangsbeschränkungen unmittelbar durch Gesetz anordnen durfte. Die Argumente des Gerichts überzeugen nicht.

Gediegene Gegenerzählung

Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesnotbremse einer eingehenden verfassungsrechtlichen Kontrolle unterzogen, ohne sich hinter Entscheidungsspielräumen der Politik zu verstecken. Die überzeugenden Beschlüsse zu den Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen sowie zu den Schulschließungen lassen auch Folgerungen zur Vereinbarkeit der jetzt diskutierten Maßnahmen mit dem Grundgesetz zu.

Im Ausgang deutlich

Vor mehr als 18 Monaten trat in Bayern – zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik – ein flächendeckendes, landesweites Ausgangsverbot in Kraft. In die darauffolgende leidenschaftliche rechtswissenschaftliche Debatte ist zwischenzeitlich deutlich Ruhe eingekehrt. In dieser nun deutlich entspannten Lage entschied am Montag der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als erstes Verwaltungsgericht in einer Hauptsache über die Maßnahme, die wie keine zweite für die heikle Wirkmacht der staatlichen Pandemiebekämpfung steht.

Infektionsschutzmaßnahmen in der Schnittmenge von Verwaltungsanordnung und Gesetzesbefehl

Dem rechtswissenschaftlichen Beobachter bietet sich bei infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen mittlerweile das Bild einer völligen Austauschbarkeit der Handlungsformen Verwaltungsakt (Allgemeinverfügung), Rechtsverordnung und Parlamentsgesetz. Anordnungen, die als (konkret-generelle) Einzelfallregelungen beurteilt werden, wenn sie in einer Allgemeinverfügung stehen, finden sich inhaltlich identisch in Rechtsverordnungen und nunmehr auch im IfSG. Trotzdem liegt mit § 28b IfSG weder ein unzulässiger Übergriff des Bundesgesetzgebers in reservierte Exekutiv- oder Länderkompetenzen noch ein unzulässiges Einzelfallgesetz vor.

Keine ’self-executing‘ Ausgangssperre

Mit der jüngsten Reform des Infektionsschutzgesetzes gilt in Landkreisen, sobald die „Notbremse“ greift, eine Ausgangsbeschränkung von 22 Uhr bis 5 Uhr des Folgetags. Anders als bei den bisher erlassenen, gleichgerichteten Verordnungen auf Landesebene stellt sich die Frage, ob ein Gesetz eine solche Beschränkung unmittelbar anordnen kann. Denn das IfSG vollzieht den Eingriff selbst, als self-executing Maßnahmegesetz. Art. 2 II 3 und Art. 104 I GG erlauben allerdings eine Einschränkung des Grundrechts der Freiheit der Person nur auf Grund eines Gesetzes, nicht durch Gesetz.

Judges vs the Executive Branch

Last Friday, the Dutch Appeal Court of The Hague overturned a judgment of the District Court of the Hague which had made headlines in the Low Countries and beyond by enjoining an immediate end to the curfew imposed by the government to curb coronavirus infections. The case illustrates in dramatic fashion the tensions arising from the necessity to balance freedom and public health while tying into the more institutional question of the separation of powers between the judicial and executive branch. At the same time, the case casts light on the growing assertiveness of Dutch courts on matters of general policy-making.

The Pomp of Popular Constitutional Outrage

In January 2021, the Norwegian government decided to circulate a proposal for formally adding a curfew clause to the Act Relating to the Control of Communicable Diseases from 1994. The public reacted with an extraordinary expression of popular engagement and outrage. On 17 February 2021, in the face of strong public, commercial and political opposition, the proposal was shelved by the government. This case may show something both about the level of trust between the authorities and the public in Norway, and the reactions when one of the parties is perceived to break the “social contract” that is embedded in this relationship.

Nächtliche Ausgangssperre in Bayern auch an Heiligabend

Ab dem 16. Dezember 2020 gilt die Elfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, die für den Freistaat eine flächendeckende, generelle nächtliche Ausgangssperre zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr morgens vorsieht. Mit der nächtlichen Ausgangssperre an Heiligabend sind erhebliche Grundrechtseingriffe verbunden, die in dieser Form dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht genügen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf das Grundrecht zum Schutz von Ehe und Familie, aber auch der Religionsfreiheit.