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Ein resilientes Strafrecht braucht starke Grenzen

Vage Rechtsgüter und unbestimmte Tatbestände öffnen dem Strafrecht Türen, durch die populistische und autoritäre Kräfte es zur politischen Waffe machen können. Seine wirksamsten Schutzbarrieren sind klare Rechtsgüter, das Ultima-Ratio-Prinzip und der Bestimmtheitsgrundsatz. Doch gerade im Staatsschutzrecht werden diese Grenzen durch vorverlagerte Tatbestände und offene Begrifflichkeiten ausgehöhlt. Umso entscheidender ist eine starke, unabhängige Strafverteidigung als letzte Verteidigungslinie.

Abgehakt

Das Bundesverfassungsgericht hat das im Herbst 2020 von der Großen Koalition modifizierte Wahlrecht durchgewunken (Az. 2 BvF 1/21). Die jüngste Wahlrechts-Entscheidung fällt inhaltlich genauso enttäuschend aus wie die Gesetzesänderung, über die das Gericht zu befinden hatte. Das war aus mehreren Gründen erwartbar. Dennoch lässt die Begründung viele Fragen offen.

Zwischen Komplexität und Klarheit

Am vergangenen Mittwoch verkündete der Zweite Senat des BVerfG sein Urteil zur „kleinen“ Wahlrechtsreform aus dem Jahre 2020. In der mündlichen Verhandlung im April wurde die Frage aufgeworfen, wie verständlich das Wahlrecht sein muss. Nun folgt die Antwort: Wenn es nach der Senatsmehrheit geht, braucht der Wähler wohl nur die Wahlhandlung, nicht aber die Ergebnisermittlung zu verstehen. Damit bleibt die „kleine Revolution“ im Wahlrecht zwar vorerst aus, doch das energisch widersprechende Sondervotum dürfte die wissenschaftliche Diskussion befeuern.

Was verlangen Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgebot?

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf präsentiert, der die Rechtsgrundlagen der Corona-Schutzmaßnahmen im IfSG präzisieren soll. Der Entwurf wird dem Problem der nicht ausreichenden Rechtsgrundlagen, das seit Monaten bekannt ist, nicht ansatzweise gerecht. Wird er in der jetzigen Form verabschiedet, besteht vielmehr die Gefahr, dass die Verwaltungsgerichte die Änderungen als nicht ausreichend erachten.

Rindfleisch in Karlsruhe: Was er kriminalisieren will, muss uns der Staat schon sagen

Wer Rindfleisch falsch etikettiert, macht sich strafbar - eigentlich einfach, aber vom Gesetzgeber derart obskur konstruiert, dass das BVerfG jetzt einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot festgestellt hat. Zu der Frage, ob die Ultima Ratio Strafrecht überhaupt das richtige Mittel ist, um Rindfleischetikettierung zu regulieren, schweigt das Gericht dagegen.

Kann ein Gesetz auf eine EU-Richtlinie verweisen?

Das klingt technisch, ist aber ziemlich spannend, finde ich. Ich bin da nicht selber drauf gekommen, sondern über die Berliner Anwältin und Energierechtsexpertin Ines Zenke von Becker Büttner Held, die ich bei der Redaktion ihres Energieblogs berate und die heute bei der parlamentarischen Anhörung zum neuen Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) die Rede darauf gebracht hat. Im Kabinettsentwurf des TEHG findet sich folgende Passage: § 2 Abs. 5: Dieses Gesetz gilt nicht für: (…) 2. Anlagen, die nach § 4 Absatz 1 Satz 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genehmigungsbedürftig sind und bei denen nach ihrer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung außer für An-und Abfahrvorgänge als Brennstoff nur Klärgas, ... continue reading

Sitzblockaden: Strafrecht bleibt Strafrecht

Die heutige Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Sitzblockaden wird überall als superdemonstrantenfreundlich gefeiert. Tagessschau.de beispielsweise: „Demonstrationsfreiheit bei Sitzblockaden gestärkt“. Oder FAZ.net, noch schöner: „Sitzblockade nicht stets Nötigung“. Das passt sicher irgendwie in die Zeit, wo doch am Sonntag die Grünen so doll gewonnen haben. Tatsächlich aber ist es so: Diese Entscheidung versteht sich teilweise von selbst, und soweit sie das nicht tut, ist sie für die Versammlungsfreiheit gar nicht so besonders günstig. Nötigung: Nicht stets, aber oft Die Kammer hat zum einen die so genannte „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des BGH bestätigt. Die besagt, dass es zwar keine gewaltsame Nötigung ist, wenn man durch ... continue reading

BVerfG: Musik ist kein Lärm, und der Geschmack eines Polizisten kein taugliches Kriterium

Juristen pflegen gern der bildungsbürgerlichen Tradition der Amateurmusik, und Professoren noch viel mehr. In der 3. Kammer des 2. Senats sitzen drei Juristen, zwei davon Professoren, und das könnte ein Anhaltspunkt zur Erklärung der heutigen  Entscheidung aus dem Ressort „Vermischtes“ sein: Klavierspielen kann man nicht einfach als Lärm abqualifizieren, entrüstet sich die Kammer. Bachs Französische Suiten mit den Mitteln des Immissionsschutzrechts zu Leibe rücken zu wollen, das geht gar nicht. Ein Nachbar hatte gegen die Klavierübungen eines sechzehnjährigen und offenbar sehr musikalischen Mädchens die Polizei gerufen. Die fand ebenfalls, dass das Geklimpere ein Ende haben müsse, und als das Mädchen ... continue reading